Bräute des Nichts
Berlin: Video-Theater-Performance »Bräute des Nichts
Magda und Ulrike
Die 68er sind „in“, allüberall, und die Deutungsschlachten dauern an. Nun legt Jutta Brückner, renommierte und streitbare Filmemacherin (zuletzt der Spielfilm „Hitlerkantate“ mit Hilmar Thate über ein opportunistisches Komponistenleben zur NSZeit), eine hochartifiziell gearbeitete Video-Theater-Performance und einen historischen Essay „Bräute des Nichts. Der weibliche Terror. Magda Goebbels, Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin“ vor. Brückners Hauptarbeitspartner sind – neben einem tüchtigen technischen Stab – die einzige Darstellerin Anne Tismer (noch bestens im Gedächtnis als Nora an der Schaubühne), Dagmar Jäger (die mit ihrer Kamera meist halbnah und ruhig auf klare szenische Gliederung achtet), ein Chor, vier maskiert-gesichtslose, schwarzgewandete, hüpfende Lemuren. Brückner will ihre beiden Arbeiten strikt getrennt sehen, aber natürlich fußen sie auf dem gleichen historischen Material und den gleichen Thesen. Ihre Performance lief in der Akademie der Künste, in deren Programmpaket „Kunst+ Revolte“. Den Essay kann man nachlesen. Sie setzt Magda Goebbels, die Ehefrau des NS-Propagandaministers, und Ulrike Meinhof, eine Führungsfigur der RAF, in eine heftige Beziehung, in ein Thesen-Duell von hochgreifend menschheitlichem Zuschnitt. Schon im Titel irritiert und provoziert sie den Zuschauer/ Leser: Sie nennt sie „Bräute“, ihre J>rotagonistinnen waren aber doch auch Ehefrauen und Mütter, hatten Kinder. Sie sieht die politischen Karrieren dieser Frauen (einschließlich ihrer Selbstmorde) als vertrackte, unterbewusste, unbewusste traumatische Selbstverwirklichungsprozesse, aber gleichzeitig auch als fanatische Liebesgeschichten mit der Politik und als Reflex auf die Feminisierung des Faschismus und insofern auch als „andere Seite“ der Modeme. Und die Künstlerin will die „Stationen eines historischen Prozesses“ vorführen, „in dem die Frauen nach ihrem Platz innerhalb des Gesellschaftsvertrages fragen und nach der Natur dieses Vertrages selbst.“ (Brückner). Die duale Struktur ermöglicht scharfen Gedankenstreit und Argumentenaustausch, leistet den textintensiven Dialogen enormen Vorschub und erinnert von fern an die antithetischen Schlachten des politischen Theaters der 70er Jahre. Die Frage „Warum gerade diese beiden und nicht andere?“ muss der Zuschauer/Leser selbst beantworten. Brückners Paar assoziiert natürlich auch Götz Alys umstrittene Behauptung einer maliziösen „Erbfolge“ zwischen NS-Zejt und der RAF. Brückner leuchtet in alle biografischen Winkel und Dunkelecken ihrer Protagonisten und lässt keine der sehr vielen psychischen Verästelungen aus. Manches mag man sich nicht weiterdenken. Brückner aber tut es, weil es ihr ein inneres, fast zwanghaftes, offenbar auch autobiografisch eingefärbtes Bedürfnis ist. Da lässt sich die gestandene wortgewandte Aufklärerin nicht überseheI1. Und: Sie beherrscht die ganze Klaviatur des modernen psychologischen Instrumentariums. Brückner liebt die kontroverse, apodiktische, sehr selbstbewusste folglich auch zuweilen ungerecht~ und subjektive Formulierung, die grelle Zuspitzung, das Pamphlet. Da legt sie auch Fallstricke hin und lässt Umwege nicht aus. Ihren Argumentationssträngen kann nur der intime Kenner der Materie wirklich folgen, und der wird ihr dann auch wirksam widersprechen können (da ist dann Brückners Essay am Platze). Indes: die szenisch.en Angebote insbesondere Anne Tismers entwickeln unter der Hand ihren eigenen Sog, weil sie Ulrike Meinhof und Mag.da Goebbels als Figuren vorführen, überschaubar arrangiert in .einem kargen Bühnenbild: ein gebastelter Schreibtisch, ein Bettgestell mit roter Decke, inmitten eines betongrauen Gemäuers (die Zelle der Meinhof). Dann fällt das Szenische optisch in zwei Teile auseinander: auf dem Betonboden der black box jenes Mobiliar, darüber auf der Leinwand als Film (Pardon: Video-Performance) die Aktionen der Tismer als Meinhof und als Goebbels (im schwarzen Kleid mit Kapotthütchen), mit eindrucksvollen Blickwinkeln, Schattenspielen, Nahaufnahmen in klaren leuchtenden Farben. Das Spielerische und der sinnliche Exhibitionismus der Tismer werden freilich immer wieder durch das Abstrahierend- Theoretisierende ihrer Texte gebremst. Ein optischer Dialog zwischen beiden Bild-Ebenen findet selten statt. Bildlich sehr reizvoll, aber weder als Symbol noch als Vorgang wirklich nachzuvollziehen ist, wenn oben auf der Leinwand Magda und Ulrike so etwas wie einen Dialog in Thesen versuchen, darunter auf dem Podium die Lemuren unaufhörlich schwarze Luftballons zu den Zuschauern hin purzeln lassen (die möglichen Assoziationen zu den tödlichen silbrigen Stahlkugt)ln der RAF-Babybombe stellen sich partout nicht ein.) Meist bleibt es beim Austausch von verbalen Behauptungen, der mit dem sinnlich Fabulierenden von Filmkunst in dieser Form wenig gemein hat. Jutta Brückner weicht ostentativ der anhaltenden zeitgenössischen Medialisierung ihres Stoffes, ihrer Figuren und ihrer Geschichte aus. Sie erinnert zum Beispiel nicht an Magdas (bislang) letzten „öffentlichen“ Auftritt (in Oliver Hirschbiegels Film „Der Untergang“), obwohl doch jene minutiös zelebrierte Szene, als Magda ihre Kinder vergiftet (ohne Ton, nur das matte Knirschen der Giftkapseln war zu hören), ein szenischer LebensSchlusspunkt ganz nach Brückners Geschmack sein müsste. Andererseits fällt sie sich stilistisch selbst ins Bild, wenn sie authentische Dokumentarfilm-Sequenzen von der Besichtigung der GoebbelsLeichen im Garten des Führerbunkers einfügt. Und noch mehr, wenn sie Liebesbriefe an Hitler im Off verlesen lässt und jenes finstere Ölbild Hitlers mit der Rittergewandung und dann sein Foto-Porträt frontal in die Kamera stellt. Ich halte für denkbar, dass Jutta Brückner solche Medialisierungen umging, weil sie selbst ihren eigenen Medien-Beitrag – mit jener werkwürdigen Zweiteilung – gestalten wollte. Schade, dass die spröde und anregende Sache nach drei Abenden verschwindet und nicht von mehr Zuschauern diskutiert werden kann.
Von Günter Adge
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