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Jutta Brückner

Die Pornografie-Debatte in Deutschland

Pornografie ist ein Thema, das der westlichen Kultur seit ihren Anfängen beigesellt ist und immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen geführt hat. Die Beziehung von Bild und Geschlecht war einer christlichen Sündenmoral, für die der irdische Leib und vor allen Dingen der Leib der Frau Hort der Verderbnis war, immer ein Ärgernis. In der Skandalgeschichte der modernen Kunst war Pornografie das geheime Zentrum der Revolte. Da, wo es darum ging, die Grenze zwischen dem noch „künstlerisch Erlaubten“ und dem nicht mehr durch den Kunstvorbehalt gedeckten Zeigen geschlechtlicher Zusammenhänge zu ziehen,ereignete sich die Freiheit des Geistes. Und da „Freiheit“ der Zentralbegriff moderner westlicher Kultur ist und Pornografie sein geheimes Zentrum, sagt dieser Kampf, der heute beendet zu sein scheint, etwas aus über die letzten zwei Jahrhunderte westlicher Kulturgeschichte.

Hintergrund aller Auseinandersetzungen war eine Kultur, die „repressiv“ mit dem gesamten Komplex Sexualität umging. Danach waren verboten: gleichgeschlechtliche Liebe, besonders in der männlichen Form der Homosexualität, Abtreibung, zwar nicht der außereheliche Geschlechtsverkehr selbst, aber das ZurverfügungStellen von Raum dafür und die Verführung Minderjähriger oder Abhängiger. Außerdem wurde der außereheliche Geschlechtsverkehr durch das Scheidungsrecht bestraft und selbstverständlich auch die Pornografie als der Bereich, in dem das Geschlechtliche zu Bild oder Sprache wird. Das Verbot der Pornografie war so ein integraler Bestandteil des ästhetischen und moralischen Kodex der westlichen Gesellschaften.

Es gab in den 50ger Jahren in der damaligen Bundesrepublik Deutschland mehrere große öffentliche Auseinandersetzungen, ob ein Buch ( Günter Grass „Die Blechtrommel“), ein Film („Die Sünderin“ mit Hildegard Knef) pornographisch sei oder zumindest pornographische Teile habe. Die meistens von den beiden Kirchen, der katholischen noch mehr als der protestantischen, angefachte Empörung führte zu immer neuen mühsamen Grenzziehungen, wann Kunstformen erotisch und mindestens zum Teil erlaubt, wann pornographisch und deshalb vom Gesetz zu verbieten seien. Im Nachhinein lesen sich die Grenzziehungen sehr komisch. Die Begründungsakrobatik der Gerichte legt Zeugnis davon ab, wie unmöglich es ist, die als „sinnvoll“ angesehene Sexualität von der „selbstzweckhaften“ zu trennen. Der der christlichen Kultur inhärente Gedanke, daß Sexualität nur dann erlaubt ist, wenn sie zur Zeugung führt, war angesichts jeder Form von sexueller Darstellung obsolet, denn die Darstellung von Sexualität führt nie zur Zeugung, sondern nur zur Lust, gleichgültig auf welcher praktischen Ebene die sich dann manifestiert.

Da die deutsche Gesellschaft sich in den 60ger Jahren zunehmend säkularisierte und modernisierte und die Bindung an die christlichen Kirchen nachließ, änderte sich das moralische Empfinden und es kam zu einem Bruch zwischen dem herrschenden Kulturverständnis und den moralischen Normen, die als Gesetzestext noch wirksam waren. Ein deutlicher Punkt dieser Entwicklung war der Film von Ingmar Bergmann „Das Schweigen“, dessen eindeutig sexuelle Szenen noch kurze Zeit vorher als pornographisch zum Verbot geführt hätten. In einer anstrengenden Beweisführung rechtfertigte damals die protestantische Kirche diese Szenen, weil sie Zeugnis ablegten von der im Film „beklagten Gottlosigkeit“ der Welt. Ein Gottesbeweis ex negativo war damals noch nötig, damit über Sexualität geredet werden konnte. Aber schon diese Debatte wurde von einem wichtigen Teil der Gesellschaft und von allen Intellektuellen nur noch spöttisch kommentiert. Es war klar, daß mit dem Begriff der Pornografie inzwischen das gesamte Kulturverständnis der Gesellschaft in Frage gestellt wurde.

Die Debatten über Pornografie sagten immer sehr viel aus über die Grenzen der individuellen Freiheit, die unsere Gesellschaft glaubte, ihren Mitgliedern erlauben zu können, denn sie streiften immer das Verbot. Und damit waren Fragen der Ponografie lange Zeit Fragen nach einer universalistisch verstandenen Freiheit, die dem Sittlichkeitsbegriff und damit dem christlichen Menschenbild entgegengesetzt wurde. Der Kampf gegen das Verbot der Pornografie konnte in gleichem Atemzug verstanden werden als ein Kampf für die Freiheit und diese Verbindung wurde
bestimmend für das damalige Verständnis von Revolte. In den 60ger Jahren setzten deshalb die ersten Anzeichen des Modernisierungs- und Freiheitsschubs, was damals das gleich war, bei der „Sexualität“ an. Vorreiter dieses Vorgangs war die Studentenrevolte. Zwei wichtige Schlagworte von damals waren: „Mehr Demokratie wagen“ und „der mündige Bürger“. Die Stoßrichtung der Bewegung zielte gegen eine sehr deutsche Tradition des paternalistischen Obrigkeitsstaates, in dem Staatsorgane bestimmen, was für den Bürger gut oder schädlich ist. In diesem gesellschaftlichen Transformationsschub verschwand mit vielen anderen Bestandteilen dessen, was als eine Kultur nur sehr beschränkter bürgerlicher Rechte angesehen wurde, dann auch in einer großen Strafrechtsreform die Strafe auf Pornografie. Hand in Hand damit gingen die Liberalisierung der Abtreibung, die Straffreiheit der Homosexualität und die Beseitigung vieler kleinerer Verbote, die allesamt Zeugnis der repressiven Haltung gegenüber der Sexualität gewesen waren.

Daß bei solchen Vorgängen sehr oft ein Dogma gegen das andere ausgetauscht wird, wurde deutlich an der Art und Weise wie jetzt die Sexualität definiert wurde. Die Hoffnung war die, daß, nachdem die Restriktion endlich verschwunden war, die gute, weil nicht zerstörerische Sexualität sich entfalten konnte als beste Eigenschaft eines friedfertigen, zur Gemeinschaft fähigen Menschen. Das war verknüpft mit der Hoffnung, daß durch nicht unterdrückte Sexualität endlich der ewige Frieden gesichert sei. Eine wichtige Rolle spielte damals die Faschismus-theorie von Reich, deren sexualpolitisches Modell davon ausging, daß der Fachismus nur auf Grund von nicht befriedigter Sexualität möglich geworden sei. Die ganze Last des Politischen war damit auf die Sexualität übergegangen.

Exemplarisch für diese Auffassung war das gesellschaftliche Experiment „Kommune“, eine Großfamilie aus Menschen ohne verwandschaftliche Bindungen. Hier wurde neben der Abkehr von der bürgerlichen Kleinfamilie und ihrem als negativ gewerteten „Besitzdenken“ vor allem auch die Ausübung der als „frei und natürlich“ angesehenen Sexualität propagiert, die zu konsumieren sei wie ein Glas Wasser. Es galt als verpönt, beim Sexualakt die Zimmertüren zu schließen, eine damals berühmte Bildergeschichte zeigte zwei Kinder im Alter von 5-8 Jahren, die sich gegenseitig stimulierten. Der Konsum von Pornografie wurde zum Zeichen von Fortschrittlichkeit. Prägnantester Ausdruck dieser Haltung war das Wort von Herbert Marcuse: „Nicht das Bild einer nackten Frau, die ihre Schamhaare entblößt, ist pornografisch, sondern das eines Generals in vollem Wichs, der seine in einem Agressionskrieg verdienten Orden zur Schau stellt..“

Das alles wurde begleitet durch ein massives Interesse an Psychoanalyse. Hier bestand Nachholbedarf, denn in der Zeit des Nationalsozialismus war sie verboten gewesen und in den restaurativen 50ger Jahren verpönt. Die Psychoanalyse half, das Tabu auf der nicht-genitalen Lust der Partialtriebe zu brechen. Es war letzten Endes gerade dieser Punkt, der zu einer massenhaften Verbreitung geeignet war, denn Werbung und Reklame lebten von den Momenten einer infantil-perversen Lust, die sich mit dem Zurschau-Stellen der Ware als erotischem Genußmittel und der Sexualität als Ware innig verbinden konnte. Plötzlich war die sexuelle Abbildung überall. Als Stimulans eines erotischen Gefühls, das sich sehr schnell auf andere Dinge übertragen ließ, nicht nur auf die Politik, wie die Jungendrevolte es praktiziert hatte, sondern auch auf die Ware, das Herzstück des Kapitalismus, und die Nachricht, das Herzstück der erwachenden Kommunikationsgesellschaft. Sexualität und ihre Abbildung, also Pornografie, wurde zum wichtigsten Motor einer wirtschaftlichen Expansion. Und die kritischen Intellektuellen, die für die Freigabe der Pornografie gekämpft hatten und das fast immer mit Kriterien eines Fortschritts, die zumindest dem Marxismus entlehnt waren, sahen, daß die Sexualität nicht den Kapitalismus hinwegfegte, wie sie angenommen hatten, sondern im Gegenteil ihn massiv konsolidierte. Die sexuelle Liberalisierung, d.h. Empfängnisverhütung, gleichgeschlechtliche Liebe, bewußte weibliche Sexualität und Jungendsexualität führte dem kapitalistischen Verwertungsinteresse neue Kräfte zu.

An diesem kurzen Überblick ist deutlich geworden, daß die wichtigen politischen und gesellschaftlichen Bewegungen in den 60ger und 70ger Jahren inspiriert waren von den Ideen des Marxismus, die durch die Interpretation der kritischen Theorie der Frankfurter Schule gegangen und von Denkern wie Horkheimer, Adorno, Marcuseund Benjamin formuliert worden waren. Sie beherrschten das intellektuelle Feld. Das erste wichtige Neue, das zum Teil aus ihnen erwachsend, zum Teil dann auch gegen sie formuliert wurde, waren die Gedanken des Feminismus, der sich vom Beginn der 70ger Jahre an in der Neuen Frauenbewegung artikulierte.

Zuerst einmal befürworteten feministische Frauen alle Momente der sexuellen Liberalisierung, weil die Zeiten des Abtreibungsverbots, des Verbotes der Empfängnisverhütung, der Strafe und Ächtung der außerehelichen Sexualität (besonders fühlbar in der sozialen und juristischen Diskriminierung der unehelichen Mutterschaft) zu so mannigfachem weiblichen Elend geführt hatten, daß die große Strafrechstreform, die damit Schluß machte, ein neues Zeitalter verhieß. Und die große Erleichterung, die alle Frauen in ihrem täglichen Leben verspürten, darf, das muß man immer wieder betonen, nicht vergessen werden, auch wenn in den dann folgenden Debatten einiges von der Liberalisierung in Frage gestellt wurde.
Das geheime Zentrum des Feminismus war, wie auch das der studentischen Revolte, die befreite Sexualität, die einen Menschen schaffen sollte, der dann auch alle politische Repression hinwegfegte. Man kann sogar mit gutem Recht sagen, daß die Neue Frauenbewegung in Deutschland mit einer Nummer des Magazins STERN begann, in der sich Frauen, unter ihnen viele prominente, selbst bezichtigten, abgetrieben zu haben. Auf Abtreibung standen damals noch hohe Strafen. Diese Kampagne war der Auftakt dafür, über die Situation von Frauen, eine veraltete Gesetzgebung und die Unterdrückung von weiblicher Sexualität zu sprechen. Alles was an Aktionen und Forderungn von Seiten der Frauen in den nächsten Jahren geschah, definierte sich als Kampf gegen eine sexistische Männergesellschaft, in der Frauen auf Grund ihres Geschlechts unterdrückt wurden.

Die Zulassung von Pornografie und ihr Konsum war ein Teil der Befreiungsstrategie und zu Beginn der sexuellen Liberalisierung in keiner Weise in Frage gestellt. Dabei spielte sicher auch die Neugier eine Rolle, was das denn sei, was fast zwei Jahrunderte lang nur unter dem Ladentisch gehandelt worden war. Es war aber auch in den künstlerischen Bewegungen der Zeit deutlich, daß die Abbildung der weiblichen Geschlechtsteile, das unverhüllte Zeigen dessen, was unter das Schamgebot gefallen war, etwas Befreiendes hatte. Ein Teil der feministischen Kunst jener Zeit definierte sich fast ausschließlich über dieses Mittel. Untersuchungen von Frauen, wie Pornobücher und -filme auf Frauen wirkten, stellten aber schon damals fest, daß es, kaum waren pornografische Produkte von Frauen überhaupt erst einmal zur Kenntnis genommen, sehr schnell zu unterschiedlichen Bewertungen kam. Nicht wenige Frauen wünschten sich eine eigene Pornografie von und für Frauen, weil sie auch in der herkömmlichen Pornoinszenierung vor allem die männliche Handschrift entdeckten. Das waren sehr oft die Frauen, für die die feministische Strategie darin bestand, in subversiven Strategien gesellschaftliche Gegenentwürfe auf allen Ebenen zu definieren. Von dieser Gruppe spaltete sich dann die Gruppe der S/M -Liebhaberinnen ab, sehr oft lesbische Frauen, die auch heute noch mit eigenem Versand und internationalen Beziehungen die geschlossenste ist. Beide Gruppen waren aber immer feministische Frauen, gleichgültig wie sie jeweils ihren Feminismus definierten. Frauen, die sich selbst so nicht bezeichnet hätten und auch oft der Frauenbewegung eher kritisch gegenüberstanden, konsumierten aber auch in zunehmendem Maße Pornografie und unter ihnen tauchte der Wunsch auf, die Pornografie „romantischer“ zu machen, d. h. die Darstellung des Sexualaktes anzureichern um die Gefühle, die mit ihm auch verbunden sein können und wohl auch, will man empirischen Umfragen glauben, für die meisten Frauen immer sind und das nicht nur als schöner Luxus, sondern als wichtige Voraussetzung für das Gelingen des Sexualaktes. Auch für diese Frauen wurde die feministische Forderung wichtig, daß Frauen ein Recht auf einen Orgasmus haben und nicht aus Rücksicht auf den Mann sich mit unlustvoller Sexualität zufrieden geben müssen, obwohl die meisten dieser Frauen sie nicht als feministische erkannt hätten.

Als die Einschätzung der politischen Situation und der revolutionären Strategien sich änderte, war davon auch die Haltung zur Pornografie betroffen. Auslöser war der in zunehmendem Maße unter Frauen um sich greifende Frust, daß die sexuelle Befreiung ganz offensichtlich weniger den Frauen nützte als den Männern. Die Ersten, die sahen, daß der Liberalisierungsprozeß drohte, zu einer Phrase der herrschenden patriarchalen Kultur zu verkommen, waren die Frauen des SDS, des sozialistischen deutschen Studentenbundes. Sie entdeckten inmitten von Tätigkeiten, die von ihren Genossen als „revolutionär politisch“ bezeichnet wurden, das gleiche Verhalten, das auch sehr konservativ bürgerliche Ehemänner gegenüber ihren Frauen hatten. Die Frauen wurden für Handlangerdienste gebraucht, zum Kaffeekochen, Flugblattkleben und für „die sexuelle Dienstleistung“, der sie sich nicht verweigern konnten, ohne das Gruppengespött wegen mangelnder Emanzipation auf sich zu ziehen. SDS-Frauen formulierten den damals berühmten Satz: „Befreit die sozialistischen Eminenzen von ihren bürgerlichen Schwänzen“. Darin machte sich die Enttäuschung Luft, daß eine „fortschrittliche“, linke Gesinnung nicht automatisch zu einem nicht-repressiven Verhalten Frauen gegenüber führt und daß Männer von der sexuellen Befreiung auf eine unangenehme Weise profitieren.

Da in der „linken“ Vorstellung Sexualität immer und überall stattfinden und die Bereitschaft dazu moralisch von den Frauen eingefordert werden konnte als Kennzeichen ihrer Befreiung, war vor allem die männliche Lust befreit. Keine oder fast keine Frau wollte sich damals dieser ständigen Bereitschaft verweigern, weil das ein Rückfall in die Tabuisierung gewesen wäre, der man ja gerade entronnen war. Der linke Gruppenzwang unterstellte den Frauen aber, nachdem die Repression jetzt zu Ende war, dieselben sexuellen Gefühle und Vorstellungen, wie die Männer sie hatten. Ein vielzitierter Satz von damals hieß: „Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment.“ Der soziale Druck, der vorher die außereheliche Sexualität verboten hatte, forderte sie nun ein. Kaum war der alte Zwang vorbei, wurde den Frauen sofort ein neuer auferlegt. Die stete Bereitschaft zur Sexualität zwischen Tür und Angel ohne Rücksicht auf Intimität, wie sie jetzt revolutionäre Norm war, erfüllte einen männlichen Wunschtraum, der mit den Wünschen und Bedürfnissen der Frauen nicht viel zu tun hatte. Denn der Abbau der Schamgrenzen, der Sexualtabus und Moralvorschriften entließ die Männer aus der Verantwortung für die sozialen Folgen der Sexualität, wodurch noch in den 50ger Jahren die außereheliche Sexualität nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer ein Risiko gewesen war.

Frauen sahen, daß es ihnen nicht viel half, wenn sie, nachdem sie so lange trieblose Wesen hatten sein müssen, jetzt plötzlich hemmungslos triebhafte sein sollten. Und sie begannen zu fragen, was denn, wenn auf ihrer Sexualität kein Tabu und keine Unterdrückung mehr lastete, dieses Ding, „die weibliche Sexualität“ sei. Offensichtlich tauchte sie nicht intakt und unbeschadet aus den Verbotenen der Jahrhunderte plötzlich auf als etwas, über das sie verfügen konnten. Und die Debatte wurde eine ganze Zeit beherrscht von der Frage, was denn nun der weibliche Orgasmus sei, wie er stattfinde und ob Freuds Bewertung des klitoridalen und des vaginalen Orgasmus richtig sei oder die letzte Perfidie des Patriarchats. Sehr zugespitzt kann man sagen: schon wieder war die weibliche Sexualität ein Problem. Durch Jahrhunderte war sie im Abendland entweder vollkommen geleugnet worden, weil man glaubte, Frauen hätten keine sexuellen Gefühle. Dann hielt man sie für so überentwickelt, daß man sie mit rigiden Kontrollmaßnahmen in Schach halten mußte. Jetzt schien sie durch eine die Frauen unterdrückende kulturelle Entwicklung so gestört, daß sie therapiebedürftig geworden war. Die weibliche Sexualität schien immer nur als fragwürdige existieren zu können.

Ganz gleichgültig, ob man in Freud den großen Verhinderer der Befreiung der Frau sah, oder in der Psychoanalyse das Werkzeug, dessen man sich auch gegen sie bedienen konnte, alle diese Fragen waren jetzt nicht mehr politische in dem tagesaktuellen Sinn des Wortes, sondern nur noch auf dem Hintergrund von kulturtheoretischen Modellen zu beantworten. Offensichtlich hatte der Zusammenprall mit der linken Politikbewegung bei vielen Frauen Erschütterungen ausgelöst. Es gab damals eine steigende Tendenz, eine weibliche Sexualität zu preisen, die im Unterschied zur aggressiven männlichen, eine harmonische, friedliche sei, deren Ausübung ohne Unterdrückung und Kampf vor sich gehe. Diese Tendenz ging zusammen mit der Entdeckung des vorzeitlichen Matriarchats, das nicht einfach als eine Kulturstufe der Zivilisation verstanden wurde, von der man nicht genau wußte, in welcher Form sie existiert hatte, sondern als ein paradiesischer Zustand weiblicher Herrschaft, der die Norm gesellschaftlicher Wünsche abgab. Auch die Haltung zur Pornografie war von diesem Rückzug betroffen. Sie schien im Gegensatz zur Freiheit, die sie noch vor einigen Jahren zu bringen schien, jetzt nur noch von der Unterdrückung der Frau zu künden. Frauen, so schien es jetzt, waren einem männlichen Verständnis von Sexualität ausgeliefert, das ihre eigene Sexualität ignorierte und der deutlichste Beweis dafür wurde in den pornografischen Bildern gesehen, in denen die Frau nichts anderes sei als Objekt einer männlichen Lust.

In der damaligen Diskussion habe ich, bezogen auf den pornografischen Film, die Position bezogen, daß der Pornofilm zweifellos in seiner Inszenierung der Sexualität die männliche Handschrift zeigt, weil er den Sex behandelt wie die Arbeit und das Geld. Er läßt alles vermissen, was die Liebes- und Erotikliteratur den Frauen viele Jahre lang serviert hatte: Beschreibungen des Verlangens, der Sehnsucht, des Begehrens. Der Pornofilm hat ein mechanistisches Weltbild, weil es ihm reicht, daß zwei Körperteile zusammenkommen und allein dadurch ist die Lust schon garantiert. Die in ihm gezeigte Sexualität hat keinen historischen und gesellschaftlichen Abdruck. Sie wird gezeigt in einem Rahmen, der einem Industriefilm ähnelt. Alles ist klar und gut ausgeleuchtet, damit man das Funktionieren und das Zusammenspiel der Teile gut erkennen kann. Die Reduktion des Sexualität auf Funktion, die der Pornofilm betreibt, geht an der fundamentalen Erkenntnis vorbei, daß Sexualität nicht nur ein biologischer Prozeß ist, sondern überlagert von gesellschaftlichen Kodierungen, die unsere Vorstellung von Lust formen.
Ich glaubte aber, daß Frauen gerade auch den unzureichenden Pornofilm insofern ernst nehmen sollten, als er ihnen eine wichtige Botschaft bringt: daß ihr Geschlecht ein anonymes Organ der Lust ist und nicht einfach der Garant eines besseren Menschentums. Nichts bewahrt Frauen vor der Erkenntnis, daß sie nicht, weil Unterdrückte, automatisch besser sind als die Unterdrücker. Hinter der Klage über die männliche Aggressivität, auch die im Pornofilm, lauerte und lauert oft das alte romantische Kulturmodell, daß die Frauen schönere Seelen seien.

Die Meinung, daß Frauen im Pornographiediskurs Opfer seien und Opfer automatisch nicht einfach die Geschädigten, sondern die Besseren, führte zur PorNo Kampagne,die von der Zeitschrift EMMA initiiert wurde. EMMA ist eine feministische Monatszeitschrift, die auf sehr spezielle Weise feministische Positionen interpretiert. Ende der 80ger Jahre, als eine Welle der Sexualisierung, die auch heute noch nicht abgeklungen ist, sich vieler Erscheinungen des Alltagslebens, der populären Filme und Fernsehprogramme bemächtigte, begann EMMA eine Kampagne gegen Pornografie, in dem sie genau bei diesem Phänomen, der zunehmenden Sexualisierung der Lebenswelt, ansetzte. Ihre Kampfbegriffe waren auf der einen Seite der positive einer speziellen Würde der Frau, die den Frauen das Recht gäbe, sich gegen erniedrigende Darstellungen – und die pornografischen wurden als solche angesehen – zu wehren. Auf der anderen Seite der negative der zunehmenden Durchdringung der sexuellen Darstellungen mit Gewalt, die als männliche, gegen die Frauen gerichtet, beschrieben wurde. In den USA, die für Deutschland in vieler Hinsicht kulturelles Modell waren und sind, war zu der Zeit das Buch von Andrea Dworkin erschienen, in dem eine ähnliche Sicht vertreten wird und die PorNo-Kampagne hing sich an dieses Buch an.

In dieser Kampagne sieht die Gesellschaft folgendermaßen aus. Die Frauen erscheinen als Opfer einer Kultur männlicher sadistischer Agression. Jede Form von männlicher sexueller Phantasie behindert Frauen, die auf Grund einer jahrhundertealten Geschichte des Patriarchats noch keine Gelegenheit hatten, zu ihrer eigenen Sexualität zu finden. Die Köpfe aller Frauen seien von männlichen sexuellen Phantasien kolonisiert, deshalb falle es ihnen so schwer, ihre „eigenen Bilder“, wie das immer wieder gefordert wurde, dagegen zu setzen. Die Kampagne forderte ein Gesetz, das jeder Frau, die sich in ihrem Schamgefühl durch pornografische Darstellung verletzt fühlte, das Recht einräumen solle, dagegen zu klagen. Pornografie solle nur erlaubt sein im Kontext einer wissenschaftlichen Darstellung und auch da nur als Sammlung und Analyse, die Herstellung selbst sollte in jedem Fall verboten sein.

Diese erste Initiative, die aus einem feministischen Impuls heraus die Pornografie verbieten wollte, hat unter Frauen selbst zu ebenso viel heftiger Gefolgschaft geführt wie zu Widerspruch. Ihre Schwachstellen waren mit den Händen zu greifen, denn die Definition, was weibliche Würde sei, wurde hier gerade nicht dem Staat überlassen, sondern jeder einzelnen „beleidigten“ Frau, die dann auch eine Privatklage anstrengen mußte. Damit war verhindert, daß zu schnell Erinnerungen an die Zensur aufkamen, denn die war immer eine staatliche gewesen mit einer offiziellen Definition von Sittlichkeit. Aber dem wurden nun potentiell unendlich viele individuelle Auslegungen von weiblicher Würde entgegengesetzt. Trotzdem war die Debatte über diese Kampagne, die nicht zum Erfolg geführt hat, wichtig, weil sie vor allem die Gegnerinnen des Verbots immer wieder zwang, die Grundlagen ihres Verständnisses von Emanzipation und weiblicher Sexualität nach inzwischen 20 Jahren Frauenbewegung zu überdenken und zu überprüfen, welche ihrer früheren Annahmen sich inzwischen als nicht haltbar erwiesen hatten.

Die Argumente, mit denen für das Verbot geworben wurde, habe ich schon beschrieben. Die Argumente gegen das Verbot lassen sich so zusammenfassen.
1.)Der Wunsch, daß Frauen ihre eigenen Bilder von und für Sexualität finden, die sich ganz grundlegend von denen der Männern unterscheiden sollten, führt ins Nichts. Denn er unterstellt die Idee einer unendlichen Selbstsuche, die letzten Endes nur eine Selbstreinigung ist. Jedes Bild muß sich dem Verdacht stellen, hier handele es sich doch noch um etwas „männliches“ und damit wird die Suche zu einer hysterischen Vorwärtsverteidigung in das ganz Andere gezwungen. Diesen Vorstellungen liegt das europäische Avantgarde-Modell zugrunde. Die Avantgarde ( ein Begriff, der ja aus dem militärischen Bereich kommt), fühlte sich als kulturelle Vorhut, die per definitionem anders, weil avancierter war, als die Masse. Das angestrengte Bemühen, „anders“ zu sein, prägt heute das kulturelle Leben in Europa, weil nur so Aufmerksamkeit zu erzielen ist. Feministinnen fühlten sich von Anfang an als politische und künstlerische Avantgarde. Aber damit ist immer auch höchste Individualisierung verbunden und das steht in Widerspruch zu dem für den Feminismus als existentiell begriffenen Selbstverständnis, im Namen aller Frauen zu sprechen, auch derer, die den „wahren Weg“, den feministischen, noch nicht erkannt haben sollten.

2.) Die Kampagne ist dem gleichen Denkmodell verpflichtet wie es auch der Marxismus mit seiner Hoffnung auf den „Neuen Menschen“ als Produkt einer gesellschaftlichen Erziehung hatte. Da aber, wo der Marxismus einen gesellschaftlichen Willen und ein gesellschaftliches Ziel voraussetzte, soll der Erziehungsprozeß hier dazu führen, daß sich verborgene Natur befreie, nämlich die Natur der reinen weiblichen Sexualität, von der man behauptet, nichts zu wissen außer, daß sie nicht „männlich“ sein kann. Die neue Frau als Selbstemanation der Natur gibt es aber ebenso wenig wie den neuen Menschen als Produkt gesellschaftlicher Erziehung, wie der Zusammenbruch der realsozialistischen Welt uns gerade gezeigt hat.

3.) Betrachtet man die Position im Licht der Psychoanalyse, dann wird ein anderer Kurzschluß offenbar. Die Debatte geht davon aus, daß die pornografische Darstellung weiblicher Körper im Interesse des Mannes liegt und nicht im Interesse der Frauen. Sie folgt den vielen Debatten darüber, wie der männliche Blick unsere Kultur dominiert und der weibliche Blick durch Jahrhunderte skotomisiert worden ist. Die Untersuchungen, die als erste hier angesetzt hatten, waren sehr verdienstvoll, weil sie feststellten, daß Frauen in der westlichen Kultur potentiell immer und real sehr oft zu Bildern gemacht worden waren, die bewundernd angesehen wurden, die selbst aber keinen eigenen Blick haben konnten. Die Eigenschaft von Bildern ist es, passiv zu sein, das Gesetz des Handelns war demgegenüber ein männliches Gesetz. In vielen Filmen ist das heute noch zu sehen in der Begehrlichkeit von Frauen, als schönes Objekt angeschaut zu werden. Reinster Ausdruck dieser Ikonenqualität war ein Teil der Filme mit Marlene Dietrich, die selbst als Ikone aus Licht und Schatten erst erschaffen werden mußte aus dem Rohstoff der lebendigen Person. Die Untersuchungen, von denen ich hier spreche, hatten auch zu so anregenden Erkenntnissen geführt, daß z.B. im Italien des 19. Jahrhunderts das Schönheitsideal für Frauen darin bestand, große, schwärmerisch-feuchte Augen zu haben, was durch Einträufeln mit Belladonna erreicht wurde. Der Nebeneffekt war der, daß die Frauen für einige Stunden blind wurden, weil Belladonna eine Trübung der Linse verursacht. Das Auge war nicht länger ein aktives Sinnesorgan, sondern ein schönes Objekt für den Blick der anderen.

Diese Untersuchungen sind nach wie vor gültig als kulturhistorische Erkenntnisse über die Zurichtung der Körper von Frauen durch die männliche Kultur und das gilt von fast allen Kulturen, ganz gleich, ob es sich um das Einbinden der Füße, das Schwärzen der Zähne, das Umwickeln und Ziehen des Halses, die erzwungene Fettleibigkeit durch maßlose Fütterung, den Zwang zum Verstecken der Haare unter einer Perücke oder die sexuelle Verstümmelung durch Beschneiden der Klitoris handelt. Diese Praktiken demonstrieren männliche Macht. Aber von der Tatsache, daß Frauen der Blick verboten oder unmöglich gemacht wurde darauf zu schließen, daß sie auch gar nicht schauen wollen, ist denkerisch falsch und wird von der Realität nicht bestätigt.

Weibliche Schaulust, auch an sexuellen Darstellungen, ist zweifellos nicht ganz identisch mit der männlichen, aber auch nicht das ganz Andere, das auf einem fremden Planeten geboren wurde. Sie hat offensichtlich auch großes Vergnügen an der Darstellung von weiblichen Körpern, ganz gleichgültig, ob diese Darstellung pornografisch ist oder nicht. Vielleicht gerade, weil die Frau gelernt hat, sich selbst anzusehen und Lust an sich selbst zu empfinden, geht ein Teil ihrer Lust an Pornografie mit der männlichen zusammen und richtet sich auf den weiblichen Körper als Fläche für Projektionen und Spiegelungen. Etwas zu vereinfacht könnte man sagen, daß im westlichen Kulturverständnis die Frauen eher eine bisexuelle Schaulust haben, während die männliche Schaulust, es sei denn, der Mann ist homosexuell, rein auf die Frau und nicht auf sich selbst gerichtet ist. Die Frau wird auch lustvoll zur Voyeurin ihrer selbst und vielleicht ist das sogar die Quelle der sexuellen Lust, die sie gemeinsam mit dem Mann dann im Akt empfindet.
Pornografie zu verbieten, weil sie nur männliche Vorstellungen befriedige, ist auch eine Attacke auf die weibliche Schaulust selbst.

4.) Die Psychoanalyse gestattet uns noch einen weiteren Schritt. Die Ablehnung der männlichen Vorstellungen von Sexualität kann sehr leicht dazu führen, daß ein regressives Modell der weiblichen Zweisamkeit, das sein Urbild in der Mutter-Tochter-Beziehung findet, Pate steht. Es ist den philosophisch und analytisch denkenden Frauen in der westlichen Welt inzwischen klar, daß der eigentliche Widerstand und die eigentliche Schwierigkeit nicht in ihrer Beziehung zu den Männern, sondern in ihrer Beziehung zu den Müttern liegt. Von hier aus fällt auf den Vorwurf gegen die männliche Sexualität ein neues Licht. Denn hinter ihm kann sich durchaus eine Sehnsucht nach den frühkindlichen Liebesformen verbergen, die sehr vieles will, aber keine Sexualität mit dem anderen Geschlecht.

Das Unangenehmste in der Debatte war die fatale Vorliebe dafür, Frauen lediglich als Opfer zu sehen: Opfer der männlichen Geschichte, Opfer männlicher Phantasiewelten, Opfer männlicher Aggression. Hier wurde am brisanten Beispiel der Pornographie ein Kernthema der Frauenbewegung durchgespielt.

Heute ist, auch durch viele Studien, die inzwischen historische Komplexe aufgearbeitet haben, klar, daß es viele sehr unterschiedlich vernetzte Machtzentren gegeben hat und daß die Frage der Sexualität nicht von der Frage der Macht zu trennen ist. Aber nicht im Sinne von monolithischer Macht und monolithischer Unterdrückung, in der die Männer die unterdrückenden Täter und die Frauen die unterdrückten Opfer gewesen wären. Das aber bedeutete insgesamt eine Abwendung von einem ziemlich vulgärmarxistischen Modell der sexuellen Unterdrückung, d.h. der Annihilierung, und dem damit verbundenen Modell der Befreiung durch Reden und Abbilden. Heute heißt die Frage eher, ob nicht die Diskursivierung der Sexualität sie eigentlich erst erzeugt. Und das würde dann bedeuten, daß die Sexualität, wie sie von der Pornographie geschildert wird, nicht das Abbild einer als Phantasie in den Köpfen objektiv vorhandenenen ist, sondern im und durch den pornographischen Diskurs erst erzeugt wird. Damit wird auch der Unterschiedlichkeit der vielen sexuellen Diskurse Rechnung getragen, ob er nun lesbisch, sadistisch oder polymorph-pervers ist.

Damit würde auch die Frage obsolet, mit der der Debatte um Pornographie immer neuer Sprengstoff zugeführt worden ist, ob die zunehmende Durchdringung des sexuellen mit dem gewaltförmigen Diskurs von der zunehmenden Gewaltbereitschaft der Männer an Frauen Zeugnis ablegt. Wenn man den pornografischen Diskurs verbietet, dann verbietet man ihn eben, ohne dadurch die Gewalt aus der Welt zu schaffen. Andererseits gibt es, zumindest in Deutschland genug gesetzliche Handhaben, gegen Gewaltdarstellungen vorzugehen, ganz egal, ob sie in pornographischem Gewand oder auch als normales Fernsehprogramm auftreten. Gewalt ist ein in der westlichen Welt ständig steigendes Problem. Die Frage, ob Fernsehkonsum Kinder sittlich verrohen läßt, wurde schon in den 50ger Jahren gestellt und war nicht zu beantworten. Es gibt keine schlüssigen wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden für solche Probleme. Die soziologische Empirie ist deshalb auch zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Ebenso ergeht es heute den Behauptungen, daß die Gewaltpornographie Männer animiere, in der Realität gegen Frauen gewaltsam vorzugehen und daß aus diesem Grund Pornographie zu verbieten sei. Einige Untersuchungen scheinen einen Zusammenhang erkennen zu lassen, andere keinen.

Ohne Zweifel geraten in der westlichen Welt augenblicklich essentielle menschliche Werte in einen Prozeß des kulturellen Umbruchs. Das wird gerade und besonders an der Frauenbewegung und ihren Zielen deutlich. Ihr Befreiungsmodell war vom ersten Augenblick an das einer Emanzipation von der weiblichen „Natur“, die als Zwang zur Reproduktion angesehen wurde und die befreite Sexualität bedeutete gerade auch die Entkoppelung von Lust und Fortpflanzung. Die Ablehnung der Gebärfunktion und die Auflösung der Familie waren wichtige feministische Forderungen. In der Pornografie als der Freisetzung der Lust ohne gesellschaftlichen Bezug sahen die rebellischen Frauen damals ihre
wichtigste Verbündete. Inzwischen ist klar geworden, daß „das Patriarchat“ von der Verweigerung der Gebärfunktion nicht im geringsten getroffen ist, weil es die gentechnologische Reproduktion schon seit längerer Zeit vorangetrieben hat. Sollte die historische Bedeutung der Frauenbewegung nicht nur in dem bestehen, was sie selbst als ihr Verdienst ansieht, sondern auch darin, daß sie in der Entkoppelung von Lust und Fortpflanzung der industriellen Vermehrung von Menschen den Weg bereitet hat? Es ist auffällig, daß jüngere Frauen, auch gerade solche, die für sich das Prädikat „feministisch“ in Anspruch nehmen, geradezu besessen sind davon, Kinder zu bekommen, als würden sie fürchten, daß man ihnen diese Fähigkeit bald nicht mehr lassen wird.

Das Befreiungskonzept der Neuen Frauenbewegung in den 70ger und 80ger Jahren ging davon aus, daß befreite Sexualität selbstbestimmte ist und ihr Schlagwort war: „Mein Bauch gehört mir“, damit war der Slogan für den Kampf um die Abtreibung gefunden. Heute ist die Politik der Sexualität, die die Befreiung versprach, ersetzt durch die Politik des Lebens. Ist der Glaube obsolet, daß man nur die richtigen sexuellen Praktiken, die man der Pornographie abgucken konnte, brauche, um in der Lust eine lebenslange Glücksspenderin zu haben? Und wenn das so ist: was verspricht uns die Politik des Lebens? Ist es die Garantie, mit dem Kind das einzige voll verfügbare Wesen zu haben, wenn alle anderen menschlichen Beziehungen scheitern ?

Jede Debatte um Pornographie,die sich auf solche Fragen heute nicht einläßt, geht ins Leere.

Vortrag gehalten in Japan auf dem Kongress: „Frauen und Pornografie“.
Vortrag gehalten in Japan auf dem Kongress: „Frauen und Pornografie“.

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