Ein Blick und die Liebe bricht aus

Interview von Barbara Kosta und Lilli Limonius

K/L: Ihre letzten Filme waren alle autobiographisch. Dieser diesmal nicht. Worum geht es in Ihrem Film Ein Blick und die Liebe bricht aus?

B: Er ist eine Montage kultureller Versatzstücke, die traditionelle Verhaltensweisen in der Liebe zwischen Mann und Frau aufdecken. Der Ort des Films ist ein irnaginärer, der Kampfplatz, Seele, auf dem Leidenschaft und Hoffnung zu Bosheit und Enttäuschung werden, wenn zuviel stumme Sehnsucht mit realen Dingen und Menschen zusammenstößt. Der Blickwinkel ist zwar subjektiv, aber der Film selber ist konzeptuell, d. h. er hat ein bestimmtes Konzept über Liebe, Sexualität, Frustration, über Gewalt. Zwei Dimensionen werden thematisiert: zum einen die revolutionären Erkenntnisse der Frauenbewegung über die Beziehung zwischen Liebe und Gewalt, zwischen Sexualität und Gewalt. Zum anderen bleibt, trotz solcher Erfahrungen, diese Sehnsucht nach Irrationalität, die man Liebe nennt, die mit einem emanzipierten Leben nicht ohne weiteres zusammenzubringen ist. Die Suche hört nie auf, aber die Erfahrung mit den Unterdrückungsmechanismen hört auch nie auf. Das Ganze ist eine Mischung aus Traum und Alptraum.

K/L: Was ist das Neue in ihrer Aussage?

B: Wir haben lange Jahre nur Filme über den Zusammenhang zwischen Liebe, Sexualität und Gewalt gezeigt. Nicht aber die Tatsache, daß Frauen daran festhängen, diese Liebe zu hüten. Man würde denken, sie haben die Schnauze voll, aber sie haben sie nie voll. Sie rennen wie besessen ihrer Vorstellung von der romantischen Liebe nach. Ich wollte, daß in diesem Film gefragt wird, was die Kraft dieser Liebe ist, daß Frauen so leiden, damit meine ich auch, die Kraft dieser Lust.

K/L: Auf welche Weise setzen Sie diesen Widerspruch um?

B: Durch die filmische Form wird der Inhalt kritisert, durch metapholische Kürzel, mit Klischees, die jeder kennt. Z. B. Liebe, Ehe, Hochzeit, Eifersucht und Isolation. Er versucht einen sehr sujektiven Blickwinkel mit einem bestimmten Erkenntnisstand zusammenzubringen und das absurd zuverfilmen. Daher ist die Form sicher nicht ganz neu, aber relativ neu. Was mich in jedem Fihn fasziniert, ist zu zeigen, wieso etwas läuft, die Mechanismen durchsichtig zu machen. In diesem Film habe ich bestimmte Situationen von der Umgebung isoliert und unter einem Vergrößerungsglas betrachtet. So ist das nirgendwo angesiedelt.

K/L: Aber ist es nicht ein Film über Argentinien? Oder aus argentinischerPerspektive?

B: Er ist aus der Perspektive einer Frau gedreht worden, aber nicht aus der einer Argentinierin. Das sollten sie selbst machen. Es ist weder ein deutscher noch ein argentinischer Film. Als der Film einer Produzentin in Argentinien gezeigt wurde, meinte sie, daß es unmöglich wäre, ihn in Argentinien vorzuführen. Man kann jederzeit mit einem Transparent demonstrieren, nicht aber den Mann als einen sexuellen Rohling darstellen. Es gibt kaum einen Mann in Argentinien, der sagen würde, es gibt Sexismus da …

K/L: Wie wird das Arrangement der Geschlechter dargestellt?

B: Die Frauen im Film gehen durch sieben Situationen. Sie rennen nicht nur einem Mann nach, sondern der Liebe als Liebesmöglichkeit. Deshalb sind die Männer nur Projektionen der Frauen, Orte, wo die Liebe sich ereignen soll. Die Frauen stellen als Kunstfigur kein individuelles Schicksal dar. Deshalb können sie in den unterschiedlichsten Rollen auftauchen oder durch die verschiedensten Situationen hindurchgeschickt werden. Das ganze ist ein sehr anti-identifikatorisches Modell.

K/L: Frauen bilden immer wieder ein Bataillon Verbiesterter.

B: In ihrem hilflosen Aktionismus werden sie verbiestert, weil die ganzen Wunschvorstellungen im Keim stecken bleiben. Daraus entwickelt sich ihr Wischzwang oder Waschzwang. Der ganze Film ist mit Zwängen durchsetzt.

K/L: Ihr Film besteht hautpsächlich aus verschiedenen Tango-Variationen.Wofür steht die Sprachlosigkeit?

B: Die romantische Liebe ist notwendigerweise stumm, d. h. nicht, daß sie nicht monologisiert, aber es gibt keine andere Ebene der Liebenden außer ich liebe dich“. Die romantische Liebe erwartet, daß die Liebe auf den ersten Blick ausbricht. Sie kann allenfalls leiden und klagen. In dem Moment, wo die frustriert wird, wo sie unerfüllt bleibt, wird sie trotz all der großen Hoffnung kleinlich, zänkisch, rabiat, haßerfüllt.

K/L: In dem weitgehend stummen Spielen werden Sätze gesagt.

B: Sie geben verschiedene Sprachebenen wieder. Einmal ein Brief an die Liebe, ein Haß-Liebesbrief. Dann die Ebene, auf der die romantische Liebe versagte, nämlich die Banalität des Alltags, oder die Position der Demütigung, des Gedemütigtwerdens. Z. B. das vor zich hinleiernde Mädchen im Treppenhaus, die die Einstellung des Mannes internalisiert mit: Ich bin eine kleine Hure, ich bin ein kleines Pferdchen…“

K/L: Es gibt nicht die Ebene der rational vernünftigen Verständigung.

B: Also, der gesamte Film in all seinen Metaphern und Symbolen, versucht die Spannung zu halten zwischen einem Zustand, den wir seit vielen Jahren kennen, da Liebe keine neue Erfindung ist, und von der wir heute glauben, eigentlich ist er ganz verrotet, er ist eigentlich ganz falsch, kaputt und gleichzeitig aber ganz neu, so wie man sich immer vorstellen könnte, das er sein sollte, so wie man in sich wünscht, etwas gleichzeitig alt und kaputt und jung und ganz. Was mich fasziniert in jedem Film ist solche Mechanismen durchsichtig zu machen, zu zeigen wieso etwas läuft. Und natürlich die Schwierigkeiten und die Widersprüche.

K/L: Was bedeutet der Titel?

B: Es ist eine Ironisierung des klassischen Satzes, der romantischen Erwartung Liebe auf den ersten Blick.“ Zwei Leute sehen sich und es ist alles passiert, selbst dann, wenn es nicht zur Erfüllung führt. Aber es ist eigentlich passiert. Die Sehnsucht bleibt und ich glaube, daß das noch ganz gewaltig in unserenKöpfen herumspukt. Wir warten immernoch darauf – auf diesen Funken. DieseMöglichkeit von Leidenschaft, die sich dann entwickeln läßt. Das Irrationale, dass das irgendwann passiert. Man weiß nicht genau wann, das ist auch gerade das schöne daran. Wenn man sich das erarbeiten könnte, wie ein guter Beruf. Die Frauen klagen in der romantischen Liebe immer Körperlichkeit an und Nähe, und das, was man unter körperliche Leidenschaft verstehen kann. Für Männer beruft die romantische Liebe gerade auf Distanz.

K/L: Wie ist der Film entstanden?

B: Aus der Erfahrung mit Schauspielern in einem Workshop in Argentinien, umzu demonstrieren wie Low Budget Filme entstehen. Im Rahmen dieses Workshops ergaben sich verblüffende Filmmomente, die ich noch nie gemacht habe. Dann habe ich das Thema formuliert, um mit der Filmförderung, die ich bekam, ein Jahr später diesen Film zu drehen. Dem Kameramann habe ich da völlige Freiheit gegeben. Fast alle Kameramänner drehen konventionelle Spielfilme und drehen Werbung. Ich bot ihm die Möglichkeit, in sehr kleinem Maße Ideen, die er aus seiner Beschäftigung mit Werbung, in einen Spielfilmzusammenhang, einzubringen. Auf diese Weise haben wir eine Kamera-Konzeption entwickelt, die mich faszinierte. Das Spiegelthema, die Suche nach Identität und Narzißmus, wurden nicht konventionell eingesetzt, sondem um Raumecken zu spiegeln, nicht um Personen zu spiegeln, das ist was ganz Neues. Diese Erfahrung, die Räume zu irrealisieren war für mich eine fundmentale Erfahrung. Faszinierend war auch die Vermittlung des gesamten Gestenvokabulars der Kultur der argentinischen Schauspielerinnen, die in dieser Weise bei uns so gut wie nie zu finden ist. Der Film wurde in zwei Wochen inszeniert. Ein Drehbuch gab es nicht.

Interview von Barbara Kosta und Lilli Limonius
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