Ein Blick und die Liebe bricht aus

Die Sehnsucht nach der Liebesutopie ist durch alle Erfahrungen mit rabiater Praxis nicht umzubringen.

Frauen stehen bis zum Hals in diesem Widerspruch und sind sehr schlecht ausgerüstet, ihn theoretisch und praktisch zu lösen. Denn ihre Schwierigkeit ist ja nicht nur, dass sie in einer nicht sehr vernünftig geordneten Welt immer wieder die Vernunft einfordern müssen, damit sie selbst besser leben können. Sie machen auch immer wieder die Erfahrung, dass die Liebe selbst sich der Vernunft entzieht, dass sie in den Dachböden und Kellern der Seele haust und sich in den Verschlägen an verstaubten und vergessenen Dingen ergötzt, die Schmutzecken der Wünsche liebt, das Seelengerümpel, und unkontrolliert mäandriert. Das alles entwickelt ungeheure Widerstände gegen die erhofften vernünftigen Lösungen durch vernünftiges Verhalten. Und es taugt eigentlich nur zur Konfliktbewältigung, wenn der Rausch vorbei ist. In der Liebe schlägt Frauen ihre Ungleichzeitigkeit entgegen, die Mühsal, sich aus der Vorgeschichte in die Postmoderne recken zu müssen. Die historisch letzte große Liebesform, die romantische Liebe, besteht darauf, dass eine Liebe keine sei, die nicht Unmögliches will, die nicht die Grenzen der sozialen Welt und der individuellen Körper sprengt, die nicht auf der höchsten lustvollen Irrationalität besteht, weil sich das alles ja durch nichts Erklärbares rechtfertigen darf. Die Alltagserscheinung dieser grandiosen Vorstellung war natürlich immer das tägliche Opfer und die tägliche Enttäuschung der Frau.

Der Film phantasiert die Stationen eines feministischen Kreuzweges. Und wie bei jedem Kreuzweg ist alles schon vorher bekannt: die Momente der Geschichte, die Hauptakteure, das Ende. Doch hier beginnt es nicht mit der Verkündigung und endet mit der Passion. Es beginnt mit der Passion und endet mit der Revolte. So gehört es sich für ein feministisches Märchen. Aber auch das ist nur die Nachtseite der romantischen Hoffnung auf das ewige Liebesglück nach dem ersten Kuss. Im Märchen gibt es keine Individuen. Die Märchen kreisen um den Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen, die Personen sind nur Verkörperungen unserer Ängste und Wünsche, positive und negative Heiligenbildchen. Das Märchen kennt die ständige Wiederholung: eine Prüfung reicht nicht, es müssen immer drei sein. Doch an dem Punkt, wo die Märchen am schönsten sind, muss sich dieser Film verweigern: es gibt kein glückliches Ende – oder: vielleicht gibt es eines, aber dann sieht es wohl sehr viel anders aus, als Frauen es sich romantisch oder feministisch bisher hinphantasiert haben. Die Frauen des Films laufen durch leere Räume, die vollgestellt sind mit Spiegeln, die wieder leere Räume spiegeln. Sie sind nicht nur auf der Suche nach der Liebe, nicht nur auf der Suche nach dem Mann als dem Ort, wo die Liebe sich ereignen könnte, müsste, endlich auch sollte, sondern sie sind auf der Suche nach dem eigenen Spiegelbild. Alles Gerenne, Gezerre, Gehaue, alle Gewaltsamkeiten, Bosheiten, alle Hoffnung und Verzweiflung treiben um den Kern, dass Frauen dadurch ihrer eigenen Identität näher kommen wollen, dass sie zu Subjekten ihrer eigenen Lust werden. So sind sie alle auf der Suche nach sich selbst. Natürlich ist auch das eine romantische Vorstellung, genau so romantisch wie die andere: dass es eines Blickes bedarf, und damit die Liebe ausbricht. Aber wenn damit auch der Blick auf sich selbst gemeint wäre?

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