Ein Blick und die Liebe bricht aus

Aus Gesprächen zwischen der Kulturwissenschaftlerin Gerburg Treusch-Dieter und Jutta Brückner zum Film „Ein Blick – und die Liebe bricht aus“.

G: Du hast gerade gesagt: der Raum ist das Begehren der Frau. Wobei ich mich jetzt frage, also das mit dem Raum ……. Die Philosophie hat ja schon seit 600 vor Christus das Problem, ist die Frau das Unbegrenzte oder das Begrenzte, das ist der Ausgangspunkt aller Philosophie. Wie grenzt man diesen Raum ein? Genau das, was du da aufbrechen willst. Und gelungen ist es ja, die Frau zu immobilisieren auf den Innenraum des Hauses, was Du ja andauernd zu durchbrechen versuchst und dann auch faktisch machst, so gesehen hättest du ja auch Architektin werden müssen…

J: Ja, meine Ausbauleidenschaft wird mir auch ständig vorgeworfen, ich finde nichts so aufregend, wie vorhandene Wohnung mit Durchbrüchen und Ausbauten zu verändern… (lacht)

G: Drücken wir es doch noch mal mit der Psychoanalyse aus: die Neurotisierung der Frau drückt sich ja im permanenten Möbelrücken aus.

J: ..Ständig, ständig,

G: .. unfähig den Raum selbst noch aushalten zu können und ihn doch auch nicht durchbrechen zu können. Also darüber könnten wir jetzt noch Stunden reden

J: …. als Endlosschleife in einer Form, die auch das neurotische Begehren reproduziert.

G: Also da ist der Raum das erzwungene Begehren der Frau, ein völlig entstelltes Begehren. Aber wahrscheinlich wendest Du dich deshalb vom möblierten Raum ab und willst den leeren Raum, weil im möblierten Raum sie selbst auch das Möbel ist. Das ist ja in „Hungerjahre“ ganz deutlich. Dem gehen aber voraus diese endlosen Klärungen, in welcher Weise kann man die Materie – gleichgesetzt mit Frau – überhaupt organisiert werden? Wie kann man sie zerschneiden, passivieren, das Aktive wegkriegen, und wenns denn doch irgendwie da ist, wie kriegt man das Aktive unter den Bedingungen der Passivität, des Mangels in sie rein, da wurde wirklich in unserer Kulturgeschichte keine Mühe gespart. Immer kann nur der Geist, über den man ja gar nichts sagen kann, er ist ja einheitlich in sich selbst, immer gleichbleibend, nur er kann ja über das Andere reden…

J: Das ist unser Bild von Identität…

G: .. die wenn sie überhaupt über sich etwas aussagen will, eigentlich das tote Auge ist. Das ist die vierte Konnotation bei Bataille, dass dieses Auge an sich, ja, nennen wir es jetzt das Auge nach innen und außen, gleichzeitig das stillgestellte, das tote Auge ist. Das ist das Auge des Geistes, das sich überhaupt nie sehen kann und nur darauf angewiesen ist, zu überwachen. Es kann ja überhaupt nichts anderes machen. Es hat ja keine Materie, gar nichts, glotzt nur immer die Anderen an. In diesem Sinne: wie können wir die Materie unterteilen? Was für Kadrierungen gibt es da, kann man die dann noch mal in sich schachteln und so fort und sie mechanisieren, automatisieren, maschinisieren, heute wird sie elektronifiziert. Das sind alles Sachen, die in die Geschichte dieser verbauten Medien hineingehören. Und dann kommt Deine Frage: welche Ästhetik ist da verbaut? Also die erste Frage wäre in der Tat: welcher Raum ist in den uns geläufigen Ästhetiken ausgeschieden, in welcher Weise ist der Raum überhaupt rausgeschmissen? Der Raum, der sich mit dem Begehren verbindet, wäre dann erstmal ein Raum ohne Licht und ohne Zeit. Das ist jetzt ganz übertrieben ausdrückt. Noch übertriebener: ohne Bewegung, außer: du setzt dich selbst in Bewegung. Und das tust du von deinem Begehren her und das wäre sozusagen die begehrende Bewegung selber, die den Raum einholt und in ihm ausholt, sich verausgabt im Raum, das ist der Tanz. So! Die Frage ist allerdings, und ich stelle sie jetzt provokant: das Auge als Kamera ist ja auf eine Immaterialisierung angewiesen. Es nimmt ja einfach nur Licht in verschiedenen Verdichtungsgeraden auf, die werden chemisch eingeschrieben, und dann wird das ganze reproduziert, also ein photosynthetischer Vorgang, ein Licht verarbeitender Vorgang und nichts anderes. Licht ist immateriell, Licht ist, so gesehen, das Auge des Geistes, es wurde immer mit dem Auge des Geistes gleichgesetzt. Gut, jetzt kann man sagen, man holt das Licht herein -und das machst du ja auch- durch Spiegelungen, durch Reflexe, seltsame Falten, in denen das Licht sich fängt. Und jetzt ist meine provokante Frage an das Medium selber: wie könnte jetzt der Raum, der Raum als Materialisierung des Begehrens der Frau, im Sinne von: alle Kadrierung wird transzendiert, wie könnte das dem Licht entgehen? Es ist klar, dass es nicht geht. Wenn das Medium ausschließlich Licht verarbeitet und alle Materialität rausschmeißt, dann wäre es an sich erstmal absolut entgegengesetzt dem, was du gerade formuliert hast, nämlich der Raum als Begehren der Frau. Damit ist er an die Materialität gebunden, das ist genau an das, was das Licht zum Verschwinden bringt, aufsaugt. Maximal: es gibt keine Lichtquelle, die uns zugänglich wäre in der Materie. Wir können von unten etwas beleuchten, es wurde früher ein Erdfeuer angenommen, die Augen der Eule gelten als Licht, was aus der Materie kommt. Aber wir kennen an sich kein Licht. Die Materie wurde als lichtlos angenommen, bzw. man muss sich fragen, wo sitzt ihr Licht. Ich erkenne da vieles in deiner Ästhetik schon drin. Gleichzeitig muss man die Frage, glaube ich, noch mal so radikal stellen. Und dann sage ich es mal ganz übertrieben- hast du das falsche Medium. Verstehst Du ……

J: Ich habe immer gesagt: Ich bin das Paradox einer blinden Filmerin.

G: Ah, das ist ja interessant..

J: Ich habe auch immer gesagt, ohne mir über die exakte Wortwahl Rechenschaft abzulegen, dass ich in diesem Film den Raum immaterialisiert habe. Und wenn ich jetzt da weitergehe, habe ich folgendes gemacht: Ich habe die Lichtquellen umgeleitet. Denn immaterialisiert wird der Raum dadurch, dass plötzlich Öffnungen an Stellen in ihm sichtbar werden, die als Öffnungen nicht da sind. Diese Öffnungen sind aber nur sichtbar dadurch, dass an dieser Stelle ein Spiegel steht, der die reale aber selbst nicht sichtbare Öffnung von gegenüber oder wo auch immer spiegelt. Und hinter diesem Spiegel ist noch ein anderer Spiegel, der spiegelt nun wiederum die Öffnung im Spiegel, die die Öffnung usw. spiegelt. Auf diese Weise lenke ich pausenlos das Licht um.

G: Meine zweite Frage wäre: wie kommt man, wenn man den Raum als Begehren der Frau sieht, wie kommt man da von der Spiegelmetapher weg? Der Spiegel wirft zwar einen Raum von außerhalb in den Raum hinein – manchmal sitze ich fasziniert da und sehe in meiner Uhr das gegenüberliegende Haus, weil es sich spiegelt, dann denke ich, das gibt es nicht, wenn man sich das mal vorstellt, man nimmt das einfach als nicht gültige Realität, aber es ist genau so Realität – wie kann man also Raum, wenn man ihn als Begehren öffnen, also vom Begehren her und fürs Begehren öffnen will, ganz provokant gesagt, ohne Spiegel zeigen? Vielleicht können wir diese Frage noch gar nicht beantworten, die kannst du dann auch nur machend, ästhetisch arbeitend, beantworten. Von wo aus kann der Raum in seiner ganzen Materie übersetzt werden in den Film, in das Aufzeichnungsmedium Film, ohne, und jetzt sage ich es noch mal ganz provokant, dass der Spiegel, der ja eine ganz alte lange Metapher ist, ohne dass der Spiegel als Hilfsmittel dazwischen gestellt wird?

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