Hungerjahre

Claudia Lenssen

Küstenfilme

In diesem wie in allen folgenden Gesprächen über HUNGERJAHRE bemerkten Zuschauer, wie gut sie die Darstellung von Britta Pohland gefunden hätten, hielten sie für eine reife Schauspielerin, weil sie ein Mädchen über fünf Jahre Entwicklung hin glaubwürdig zeigte und Mut zur Unattraktivität im stereotypen Sinne habe.

Niemand in allen Vorführungen griff Jutta Brückners Konzeption der Mutter an, alle akzeptierten die wenig zur konfliktfreien Identifikation einladende Charakterisierung der Mutter. Gut, weil trotzdem gegen die in Amerika bis zum Überdruss bekannten Klischees der Muttermonster gerichtet; in Erinnerung blieben jedesmal die Filmpassagen, in denen die emotiotionelle Reduziertheit der Mutter hergeleitet und einsichtig vermittelt wird.

Die Großmutter, anarchisch, jenseits von Gut und Böse, wurde als befreit vom Druck der sexuellen Rolle verstanden.

Schwierigkeiten hatten viele mit der Vaterfigur, die im Film konsequent demontiert würde und – das kam gelegentlich von den Männern – ein wenig lächerlich erscheine. Diese Schwächemomente und dagegen die Rolle des schönen Schwarzen brachten einige Verständnisprobleme. Wofür steht der Schwarze, vergewaltigt er das Mädchen oder onaniert er an ihr und ist er der verständnisvoll Offene, ist seine nackte Gestalt am See nicht eine spekulative Anbiederunng an das Klischee vom sexuell attraktiven Schwarzen? – das waren die Fragen. In Montréal prophezeite man mir heftige Diskussionen darüber in den USA. Dort saßen aber nur wenige Schwarze im Publikum und meistens überwogen die Kommentare, die diese Figur – aus dem Blickwinkel des unerfahrenen 50er-Jahre-Mädchens – als Begegnung mit einer fremden Welt auf mehreren Ebenen (Virilität, aber auch algerische Kriegserfahrung) rechtfertigten. Die Wahrnehmung war so eng festgelegt auf Versatzstücke wie Vergewaltigung oder Selbstmord, dass die Diskussion um die Szene mit dem Algerier und der Schluss, der durch die Off- Kommentar-Ebene als Selbstmordversuch, als Bild für das Ende einer Lebensphase relativiert wird, für viele neue Sichtweisen einbrachte.

In den USA ist vielen, auf Kommerzfilme abonnierten Zuschauern die Mischform Spielfilm mit Dokumentareinschüben überraschend neu erschienen, wobei dem Nachvollziehen der Analogien oft die desolate Geschichtsblindheit und Unwissenheit über deutsche Ereignisse in der Nachkriegszeit im Wege standen. Fakten mussten rekapituliert werden.

In Ottawa sagte jemand, die Analogien zwischen Kaltem Krieg und Familienkonflikten seien zwar schlüssig, aber die Dokumente seien nicht so „schlagend“ wie der Ausschnitt, der die Folgen einer Atombombenexplosion an Dummies demonstriert, das sei unmittelbar auch eine aktuelle Bedrohung für jeden Familienfrieden.

Interessant war, wie viel an verdrängten Unterdrückungserfahrungen über diesen Film wieder bewusstwurde, Frauen aus ganz verschiedenen sozialen Schichten fühlten sich an ihre Geschichte erinnert. In Minneapolis fanden einige Filmemacher und Leute mit alter Kinoerfahrung – ähnlich wie das auch hier diskutiert wurde –, dass durch die angestrengte Form des Films die latente Gewalt, die kritisiert werden soll, unreflektiert an die Zuschauer weitergegeben werde durch die formalen Mittel, z. B. Schnitte auf Aussagesätze hin, Inszenierung auf zentrale Aussagen im Bildvordergrund hin, Vagheit der gezeigten sozialen Lebensräume (Stadt oder Land?) im Verhältnis zur Überdeterminiertheit des Gesprochenen

Die Gespräche fanden in nordamerikanischen Goethe-Instituten statt. (Anmerkung der Red.]
In: Frauen und Film, Heft 31, 1982
Die Gespräche fanden in nordamerikanischen Goethe-Instituten statt. (Anmerkung der Red.]
In: Frauen und Film, Heft 31, 1982

weitere Texte zum Film

Hungerjahre

Veronika Rall in: Frauen und Film, Heft 62, 2000

Hungerjahre

In: Arbeitshilfe Film des Monats der Jury der Evangelischen Filmarbeit, 198o

Hungerjahre – in einem reichen Land

Aus den Pressematerialien des „Kleinen Fernsehspiel“, gekürzt in: „50 deutsche Fernsehfilme“ Hrg. Martin Wiebel, anlässlich der Ausstellung im Deutschen Historischen Museum.

Hungerjahre

Helma Sanders-Brahms zu dem Film von Jutta Brückner

Hungerjahre

Gespräch mit Jutta Brückner über ihren Film „Hungerjahre.“
Das Gespräch mit Jutta Brückner führte Erika Gregor

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