weitere Texte zum Thema

Texte zu Interventionen
 

Jutta Brückner, 2018

Bildet Banden!

Das sexistische Geschäftsmodell Arbeit gegen Sex ist seit der #metoo-Debatte stark ins Zwielicht geraten, aber es gibt auch ein ziemliches Durcheinander in den Wortmeldungen. Da geht es von Vergewaltigung über Psychoterror bis zu schiefen Blicken und den Forderungen, wegen sexistischer Inhalte Filme zu verbieten, Bilder abzuhängen und Literatur zu zensieren. Deshalb möchte ich zuerst ein wenig grundsätzlicher über Sexismus nachdenken. Sexismus ist nicht gleich Sex, so wenig wie Sex das gleiche ist wie sexuelle Belästigung. Sexismus ist die Verbindung von Sexualität und Macht. Und damit ist er der Kern aller Gesellschaften, egal ob die Frauen Tschador tragen, Kopftuch oder Bikini. Früher fiel das nicht auf, weil es klare Regeln gab und getrennte Räume für getrennte Lebenswelten, in denen für die jeweiligen Geschlechter das ungeschützte Gespräch und damit auch die Triebabfuhr möglich waren. Es gab für Männer reine Herrenräume: das Herrenzimmer, der Club, der Stammtisch, die Armee, das Bordell. Und welche Witze, Anzüglichkeiten, sexuelle Erfahrungen dort ausgetauscht wurden, blieb den Ohren der Frauen verborgen. Für Küche, Kinderzimmer und den Damentee galt das Gleiche. Fanden sich die Geschlechter zusammen, dann gab es Regeln für das gute Benehmen, für Anstand, Sitte, Wohlerzogenheit, Herzensbildung. Und wer das nicht beherrschte, wurde zum Paria und in der Gesellschaft gemieden, wenn nicht ganz aus ihr ausgestoßen. Und diese Regeln waren in den Händen der Frauen. Frauen waren zwar macht- und rechtlos in den alten patriarchalen Gesellschaften, aber sie bestimmten die Kultur des Umgangs in der Gesellschaft, diesem wichtigen Bereich zwischen dem Staat und dem Individuum, der nicht durch Gesetze geregelt ist.

Das ist vorbei. Heute gibt es nur noch gemeinsame Räume für die Geschlechter in Arbeit, Sport, Freizeit und überall treffen heute die alten Rollenbilder, die keine gesellschaftliche Grundlage mehr haben, auf die emanzipativen und sexuellen Entgrenzungen, die nach einem Jahrhundert Frauenbefreiung und der Pille möglich geworden sind. Der Druck, sich ständig und überall korrekt, höflich, unanstößig und respektvoll verhalten zu müssen, ist für Männer immens gestiegen, aber auch die Unsicherheit, was geht und was nicht. Sie müssen Frauen, die sie bisher durch Jahrhunderte nur als schmückende Blumen ansehen konnten, als Individuen ernst nehmen und ihnen Geist, Macht und Schöpfertum zuerkennen, bisher alles die Domäne der Männlichkeit. Damit sind die meisten Männer überfordert. Niemand gibt gern ein Privileg ab, auf das er bisher automatisch zählen konnte. Die männliche Gewaltherrschaft hat eine lange Geschichte, und da Macht etwas Abstraktes ist, wird sie gelebt in der Gewalt über andere, bevorzugt in der erotischen Macht über Frauen. Aber nicht nur Männer haben das Gepäck einer antiquierten Männlichkeit auf den Schultern, die Überzeugung, dass eigentlich alles ihnen gehört. Auch Frauen leben mit Bildern einer antiquierten Weiblichkeit, die von ihnen fordert, vor allen Dingen gefallen zu müssen, schön, sexy und fuckable zu sein. Das Patriarchat ist zwar vorbei, aber seine Phantasmagorien sind lebendiger denn je. Wir alle schleppen bewusste, halb bewusste und nicht bewusste Bilder und Rollenzuschreibungen mit uns herum, viel untotes Material und je toter und unbewusster es ist, desto stärker bestimmt es unsere spontanen Reaktionen, die wir nicht kontrollieren. Man nennt das den unconscious bias.

Dieser Verlust von Macht und Privilegien führt heute bei vielen Männern zu ungehemmten Aggressionen. «Unreife Männlichkeit» nennen Soziologen das. Es ist eine soziale Krankheit. Zu viele Männer sind alt gewordene Buben, die an der Macht zu tickenden Zeitbomben mutieren. Die toxische Männlichkeit ist nicht einfach ein konservativer Rückschritt in voremanzipatorische Zeiten, die wir überwunden glaubten. Der alte Patriarchalismus musste sich nicht verteidigen, denn die Frauen blieben an ihrem Platz, verhindert durch Gesetze. Da sie das heute nicht mehr tun, wehren Männer sich mit sexistischen Sprüchen und Dreck der übelsten Art gegen den Verlust an Bedeutung und das geht nur, wenn sie Frauen klein machen und demütigen. Es ist ein gefährlicher neuer Zustand der gewaltbereiten Hemmungslosigkeit in der Verteidigung der eigenen männlichen Macht. Für viele Männer ist es ein Akt der Befreiung, „die Sau herauszulassen“, sich Obszönität und Gewalt zu gestatten. Man sieht es in vielen Filmen. Durch Jahrhunderte konnten Männer sich nur groß fühlen, weil sie Frauen klein gemacht hatten, denn die Geschlechterbilder sind immer aufeinander bezogen. Daran klammern sie sich jetzt. 88 Prozent der Szenen in Pornos, die in Amerika besonders beliebt sind, zeigen körperliche Gewalt gegen Frauen, vor allem Schlagen und Würgen, 48 Prozent zeigen Herabsetzungen durch Worte.

Es gibt Sexismus in unserer sexualisierten Spaßgesellschaft als körperlichen, psychischen, kulturellen und institutionellen. Der körperliche ist manifest und reicht von der ungewollten Hand auf dem Knie oder dem Klatsch auf dem Po bis zur Vergewaltigung. Der psychische ist verschleierter, er zieht alle Register der Demütigung, des subtilen bis krassen verbalen Terrors. Seine Spielwiese sind vor allen Dingen die asymmetrischen Machtverhältnisse in der Arbeit, wenn Frauen Abhängige sind, die sich einem anderen Willen fügen müssen. Der kulturelle zeigt sich vor allem im Bilderarsenal der Werbung und der Filme, wo sich Bilder von gewaltbereiter und zerstörerischer Männlichkeit häufen. Auf dem Schlachtfeld der menschlichen Phantasie toben sich Sexsucht und Machtsucht aus, deshalb nennen Soziologen unsere Gesellschaft auch Rapeculture. Das bedeutet nicht, dass jeder Mann ein Vergewaltiger ist. Das Wort meint ein gesellschaftliches Klima, das Vergewaltigung als eine zwar nicht erlaubte, aber trotzdem lustvolle Ausübung von Macht, zeigt, umso lustvoller je verbotener sie ist, ein kulturelles Klima, in dem Frauen als Sachen dargestellt werden, die man darauf abschätzt, ob sie fuckable sind oder nicht. Und nicht zuletzt gibt es Sexismus als institutionellen. Das ist die als normal und natürlich angesehene Bevorzugung von Männern, mit der Frauen daran gehindert werden, ihre Talente und Fähigkeiten zu entfalten. Und natürlich hängt alles miteinander zusammen. In allen Fällen ist Sexismus Missbrauch, weil er die Subjektivität der Frauen nicht anerkennt. Unsere Gesellschaft ist doppelzüngig.
Auf der einen Seite gibt sie Frauen die volle juristische Selbstbestimmtheit,
aber sowohl in den kulturellen Bildern wie auch den realen Arbeitsverhältnissen der Kulturbereiche wird sie ihnen wieder streitig gemacht. In der Medienindustrie herrschen oft feudale alte Machtverhältnisse unter dem Deckmantel der Freiheit der Kunst, in die sich der Staat nicht einzumischen habe. Das bedeutet Selbstherrlichkeit derer, die herrschen, entscheiden und über die Budgets verfügen. In dieser Art von subtiler Erpressung hat das Wort Selbstbestimmtheit zumindest einen schalen Unterton, denn darin verbergen sich nur zu oft Angst und Angepasstheit derer, die abhängig sind. Nur der Eremit lebt selbstbestimmt.

Diese Umstände machen es Frauen extrem schwer, zu einem Selbstbewusstsein zu kommen, das nicht gestört oder defizitär ist und sie führen zu biographischen Schieflagen, verhinderten Ideen und verkümmerten Fähigkeiten. Frauen werden mutlos, meiden bestimmte Situationen, oder verlassen sogar den Arbeitsplatz, der zum Kampfplatz verkommt, ganz. Sie leben in einem Durcheinander von ständigem Verteidigungsmodus, Depression und dem Zorn über beides. Arbeit ist für beide Geschlechter identitätsstiftend und wenn man den Frauen die Möglichkeit der Arbeit verweigert, sie ihnen erschwert oder vergiftet, verweigert man ihnen ihre Identität und die Anerkennung ihrer Person als Subjekt. Das ist für die einzelnen verheerend und volkswirtschaftlich gesehen eine Verschleuderung von Ressourcen. Früher war die gravierende Ungerechtigkeit gesetzlich bedingt. Heute sind es Traditionen, die Trägheit von Politik und Wirtschaft und die unbewusste Überzeugung, dass Frauen nichts zu sagen haben, was für die Gesellschaft wichtig ist. Unser System als Ganzes ist für Frauen nicht weniger zerstörerisch als es ein sexistischer Angriff auf die körperliche Integrität für jede einzelne Frau ist. Frauen haben das Gefühl, von einer Gesellschaft betrogen zu werden, in der es ein Missverhältnis zwischen Macht, Geld, Wahrheit und Recht gibt. Sie haben mit der Emanzipation auf den Schutz der gesonderten Räume verzichtet, aber ihr Anspruch auf Gleichberechtigung ist nicht eingelöst worden.

Das System, in dem wir unsere Filme machen, ist in jeder Hinsicht widersprüchlich. Die öffentliche Hand fördert Kultur und will trotzdem Bares sehen, sie nennt das wirtschaftlich orientierte Kultursubvention. Eine Film- und Fernsehindustrie schielt auf die große Zahl (Quote oder Clicks) und rechtfertigt sich gleichzeitig immer mit der Behauptung von Qualität und Kunst. Man versichert, wie sehr man auf der Seite der Frauen stehe und sie fördere, aber scheut ein klares, auch juristisch einklagbares Signal und setzt auf Selbstverpflichtungen, Gnadenakte und Gönnerhaftigkeit, um sich mit der realen Exklusion von Filmfrauen nicht wirklich beschäftigen zu müssen. Unser Land mit der schweren Erbschaft der Hausfrauenehe tut sich besonders schwer damit, anzuerkennen, dass Frauen kreative und intelligente Wesen sind. Es bürdet den Frauen die Last auf, die gesellschaftlichen Widersprüche als Selbstwidersprüche zu leben. Wir kämpfen nicht nur gegen das System, sondern gleichzeitig gegen unser eigenes Unbewusstes, wir würden etwas Ungehöriges fordern. Das Patriarchat lebt aber von diesem Schuldgefühl der Frauen! Frauen stecken in dem Zwiespalt, nicht zu laut, nicht zu esoterisch, nicht zu intelligent, nicht zu fordernd zu sein, aber gleichzeitig selbstbewusst, sexy und stark. Und das zermürbt dauerhaft und auch dieses Zermürbtsein ist dann unsere Schuld, weil wir es nicht gepackt haben. Wenn uns manchmal vorgeworfen wird, wir benähmen uns als ewige Opfer, kann man darauf nur antworten, dass die Gesellschaft uns nur zwei Rollen erlaubt: das Opfer oder die Kriegerin.

Wir haben zwei Ziele: Arbeitsmöglichkeiten für uns und bessere Bilder für alle. Das bedeutet: politische Arbeit, gesellschaftliche Arbeit und ästhetische Arbeit. Die männlich dominierten Strukturen sind schwer aufzulösen. Aber noch nie hat es so viele kluge, starke und gut ausgebildete Frauen gegeben, die Verantwortung übernehmen und an der Lösung dieser Probleme mitarbeiten wollen und die ein großes Bedürfnis nach Solidarität haben, in diesem Neoliberalismus, der die menschlichen Gemeinschaften zerstört. Die Phantasie von der neuen F-Klasse und den Alpha-Mädchen, die aus eigener Machtvollkommenheit alles schaffen und den Feminismus nicht brauchen, war nur ein Knallbonbon. Dem Feminismus geht es nicht nur um Frauen, sondern emphatisch auch darum, alle Menschen von der Genderrepression zu befreien.

Bildet Banden, um unser Recht auf Arbeit durchzusetzen. Wir fordern 50 Prozent nicht nur der Gremiensitze, sondern auch 50 Prozent der Produktionsmittel. Das ist kein Größenwahn, sondern unser demokratisches Recht auf gleichberechtigte Teilhabe. Ohne Produktionsmittel haben Filmemacherinnen weder eine wirtschaftliche Existenz noch ein Werk. Nur wenn Frauen die Hälfte aller Regisseure stellen, wird ihre Exklusion beendet. Denn die Quote regiert längst, es ist eine Männerquote. So selbstverständlich wie im 19. Jahrhundert der Mensch ein Mann war, wird heute, in diesem Land, immer noch geglaubt, ein Mann bürge für Qualität und Frauen müssten erst einmal beweisen, ob sie die Norm erfüllen. Aber der Qualitätsbegriff der herrschenden Ästhetik ist nichts anderes als die ästhetische Verkleidung der Macht. Prozentual sind mehr Filme von Frauen auf Festivals als die von Männern und wir machen Besseres mit weniger Geld, wie Elisabeth Prommer nachgewiesen hat.

Bildet Banden, um die Übermacht der einseitigen Frauenbilder zu beenden. Solange nicht 50 Prozent aller Filme von Frauen gemacht werden, wird sich am sexistischen Klima nichts ändern. Frauen müssen in den vielfältigen Facetten ihrer Subjektivität in den Blick kommen. Frauen werden viel stärker als Männer mit Brüchen in ihrem Leben konfrontiert, wenn ihre Subjektivität in den Blick kommt, dann sieht man Brüche und Ambivalenzen. Das aber ist heute schon das Lebensmodell und wird es verstärkt in der Zukunft sein. Männer machen Filme über sich selbst und darüber, wie sie sich die Frauen vorstellen oder gern hätten. Das ist ihr gutes Recht, wir bestreiten es ihnen nicht. Aber wir fordern dieses Recht auch für uns. Natürlich geht es uns um Karrieren, aber nicht nur! Der Männlichkeitswahn unserer Gesellschaft beschädigt nicht nur die Hälfte der Bevölkerung, sondern die Kultur als Ganze. Und nur wirkliche Gleichberechtigung macht solche unsinnigen Aktionen, wie die, Bilder abzuhängen oder Texte zu zensieren wegen Verdacht auf Sexismus, überflüssig. Wenn Frauen eine gleichberechtigte Teilhabe haben, muss man sie nicht mehr gesondert schützen.

Bildet Banden, um Druck zu erzeugen, denn nichts wird von selbst passieren. Die Geschichte marschiert nicht ständig auf der Route des Fortschritts. Die 50 Prozent, die wir fordern, sind Teil eines Verteilungskampfes um begrenzte Ressourcen und kampflos werden wir sie nicht bekommen. Jede Branche, in der eine große Machtkonzentration mit einem komplizierten Netzwerk unterschiedlichster Interessen einhergeht, hat bemerkenswerte Selbstschutzmechanismen entwickelt und in Zeiten von hysterischen Medienkampagnen kann etwas genauso schnell wieder von der Bildfläche verschwinden wie es aufgetaucht ist. Meine Generation wurde nach großer Neugier auf unsere ersten Filme, denn damals gab es eine ähnliche Bewegung wie jetzt, nach ein paar Jahren, in der Mitte des Lebens einfach entsorgt, sprich: wir bekamen keine Produktionsmittel mehr mit dem Satz, was wir erzählen wollten, interessiere niemanden. So etwas darf nie wieder passieren!

Bildet Banden, um auch den Frauen an den Entscheiderstellen zu helfen. Sie sind Teil unseres widersprüchlichen Systems, von dem wir inzwischen wissen, wie stark es uns verhindert. Wir erwarten von den Frauen in Redaktionen, Kommissionen und Filmförderungen Verständnis und Solidarität. Das ist oft auch für sie ein Drahtseilakt, denn in unserem System der öffentlichen Förderung von Kunst sind sie der Politik rechenschaftspflichtig und müssen sich bewähren. Bewähren kann man sich aber immer nur in der Logik des Systems und seiner Regeln. Und es erfordert Überlebens- und Handlungsstrategien aus Eigensinn, List und Taktik sich zwischen den unterschiedlichen Anforderungen zu behaupten oder sie auszutricksen. Wir müssen ihnen Argumentationshilfen geben gegen die Zwänge des Systems. Und wir müssen die Frauen, die sich mit der Solidarität schwertun, denn auch die gibt es und leider nicht zu knapp, charmant, aber deutlich davon überzeugen, dass zusammenfinden muss, was zusammengehört.

Bildet Banden, um sich von der eigenen Angst und Frustration zu befreien. Heraus aus der Isolation, in der man immer das Gefühl hat, gegen die ganze Welt zu kämpfen und letzten Endes doch zu unterliegen. Gemeinsamkeit stärkt das Selbstbewusstsein, sich den Raum zu erobern, der uns zusteht! Vor Jahren habe ich etwas gelesen, was ich nie wieder vergessen habe: Das Begehren der Frau ist der Raum! Sich ständig wehren zu müssen, verbraucht viel Kraft und in uns allen nistet die Angst, dass man uns für eine Quotenfrau halten könnte. Aber es gibt keinen Grund mehr für Angst, Bescheidenheit und Schuldgefühle. Feminismus bedeutet nicht Kampf gegen Männer, sondern Kampf für Gerechtigkeit, Umverteilung von Wohlstand, Macht, Einfluss und Aufmerksamkeit. Ein alter Hase des Filmbetriebs, Günther Rohrbach, früher Redakteur beim WdR, dann Chef der Bavaria, hat gerade in einem Interview gesagt: „Ich kann den Männern nur raten: „Nehmt die 50 Prozent, denn ihr werdet sie nicht mehr sehr lange haben! Da ist eine Bewegung im Gange, die nicht mehr aufzuhalten ist. “

Lasst uns vielfältige Banden und Netzwerke bilden, formelle und informelle, Arbeitskreise mit lockeren Zusammenschluss, in denen man sich in Loyalität und Verschwiegenheit gegenseitig hilft, informiert, austauscht und Pläne schmiedet. Eine isolierte Frau ist immer schwach und ökonomisch und sexuell erpressbar, denn sie ist nur auf einen Mann bezogen, nicht auf die Gesellschaft als Ganzes. Man macht bessere Filme, schreibt bessere Drehbücher, wenn man sie mit Frauen diskutiert, denen man nicht erst die Grundlagen weiblicher Existenz von Null an erklären muss. Es ist ein Irrglaube, dass das Wichtige sich von allein durchsetzt. In einem gemeinsamen wirtschaftlichen Betrieb, mag er sich Kooperative nennen oder Produktionsgemeinschaft, kann man seine Interessen besser durchsetzen. Der neue deutsche Film war ein Netzwerk von Filmemachern und den Kritikern, die sich für deren Filme begeisterten und sie gelobt haben. Und auch der Filmverlag der Autoren war ein interessanter Versuch, er ist gescheitert, aber aus seinem Scheitern müssen wir die richtigen Schlüsse ziehen. Und schließen wir uns denen an, die es schon gibt, wie, nur ein Beispiel, der SmartCommunity, die genossenschaftliche Lösungen für Selbständige anbietet. Reklame für ProQuoteFilm und seine großartigen Begründerinnen muss ich hier nicht mehr machen. Und zum krönenden Abschluss: wir brauchen eine Stiftung, die sich einmischt in die Diskussionen über einen Kulturwandel in den Medien. Die Stiftung muss den Diskurs über Positionen von Frauen pflegen und in den allgemeinen Diskurs über Film einbringen, denn wir sind Teil der Gesellschaft und keine Randgruppe. Hier muss die Geschichte der Filmfrauen erarbeitet werden, die es gibt, die aber heute an keiner Hochschule gelehrt wird. Jeder Mensch weiß, dass man sich mit der Vergangenheit beschäftigen muss, denn dort liegen die Gründe für das Heute. Minderheiten existieren so lange, bis sie sichtbar gemacht werden. Das Erinnern an deren Geschichte ist die wichtigste Maßnahme gegen ihre Unsichtbarkeit. Gäbe es die DEFA-Stiftung nicht, wären die DEFA-Filme längst vergessen. Und hier muss über die Zukunft nachgedacht werden, denn Klicks und Quoten sind keine ästhetischen Kriterien. Die Stiftung muss eine aktive Kulturpolitik betreiben, die Mentoring Programm für Entscheider und Change Seminare veranstaltet und dafür sorgt, dass der deutsche Filmkanon sich nicht immer auf die bekannten Verdächtigen, alles Männer, beschränkt. Empowerment bedeutet, Zusammenhänge zu begreifen, damit man sich nicht mehr einschüchtern lässt. In Krisenzeiten wie der, in der wir gerade leben, werden als erstes immer die Rechte der Frauen abgebaut, ihre mühselig erkämpfen Fortschritte. Deshalb ist utopisches Denken für Frauen besonders notwendig. Agnes Heller, die große ungarische Philosophin hat gesagt, dass im Gegensatz zu allen anderen Revolutionen die der Frauen erfolgreich ist und eines Tages wird sie beendet sein. Mit ProquoteRegie hat es angefangen. Jetzt ist es schon ProquoteFilm. Sorgen wir dafür, dass es so weiter geht.

weitere Texte zum Thema

Impressum       Kontakt