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Jutta Brückner
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Es steht nicht gut um die Frauen. Da, wo Geschichte noch stattfindet, „draußen“, kämpfen sie gegen, für, um zu…, darum, dass nicht… (Frauenhäuser, spezifisch weibliche Arbeitslosigkeit, erhöhte Quoten in Parteien, Universitäten, Gremien, Abtreibung und Invitro-Fertilisation). „Drinnen“, wo es auch nicht warm ist, wo der immer noch patriarchalische Weltgeist im Posthistoire das Ende der Subjekte und die verloren gegangene Repräsentation verkündet, müssen sie, altmodisch und rückständig, obwohl sie doch gerade gehofft hatten, in der Gegenwart angekommen zu sein, darauf bestehen, dass dies ein sehr spezieller, differenter, männlicher Diskurs ist, in den sie nicht einsteigen können, weil sie sich in diesem Akt sofort selbst wieder verabschieden würden. Als sich die Rollen von Hase und Igel vertauschten, haben sich leider auch die Spielregeln geändert. Der Verdacht ist nicht von der Hand zu weisen, und die Plumpheit, mit der ich ihn hier ausspreche, ist beabsichtigt, dass, nachdem man die Frauen nicht mehr hindern kann, sich einzumischen, man die Dinge, die sie ergreifen wollen, einfach für inexistent erklärt. Welche Frau, im Moment hoher Intensität an der Spitze eines revolutionären Prozesses stehend (wenn auch eines „inneren“), mag sich beweisen lassen, dass sie die ewig gestrige sei? Filmende Frauen, zu denen ich gehöre und über die ich hier nachdenke, sind von diesen Verdikten besonders hart betroffen, denn wenn die Repräsentationsfähigkeit der Bilder verloren gegangen ist, dann fallen die Suchbewegungen, die alle um Bild(-Fleisch) gewordene Identität kreisten, ins Leere. Wäre das die dritte Stufe (und das ist nicht dialektisch gemeint) einer Entwicklung, die begonnen hat mit der Suche nach dem „Frauenfilm“? Als dieses Wort, aus einem Irrtum entstanden, vor ungefähr 15 Jahren aufkam und sich sofort verbreitete, war damit die bildliche Verlängerung eines politischen Prozesses gemeint. Dann wurde in den ersten historischen Grabearbeiten klar, dass dieser Begriff schon einmal als Bezeichnung für Zielgruppenfilme in den Köpfen von Marketing-Experten großer Filmverleihkonzerne existiert hatte und ein eher zynisches Verhältnis zum weiblichen Publikum voraussetzte. Die freigesetzte theoretische Umtriebigkeit flüchtete sich denn sofort in die Frage, ob es dann stattdessen nicht so etwas geben könne wie eine „weibliche“ oder „feministische“ Ästhetik. Zerrissen zwischen den Positionen des männlichen Diskurses in Moderne und Postmoderne und der feministischen Paradiesmethapher des archaischen Matriarchats, identitätshungrig und gierig auf Rechtfertigungen, die jede einzelne der Isoliertheit ihrer Bemühungen enthob, hofften Frauen, wenigstens in den Bildern der Kunst eine kollektive Identität zu finden, wenn schon ihre individuelle in der Wirklichkeit so problembeladen und die politische immer fragmentarischer wurden. In jedem Falle ging es a1so um Identität, die klarstellte, wo frau aufhörte, und Welt anfing. In erschöpfenden Diskussionsbewegungen hat sich inzwischen herausgestellt, was Silvia Bovenschen schon 1976 beschrieben hat: Es kann kein normatives System geben, das frau sagt, was sie zu tun hat, um als Frauenkünstlerin bestehen zu können, das Endgültiges über die „wahre Frau“ aussagt. Mit der Pluralität der Ansätze muss gelebt werden. Da ist von Differenz noch gar nicht die Rede, sondern es wirft Filmemacherinnen wieder in die Zersplitterung zurück und überlässt die Zuschauerinnen der Pein, immer wieder von neuem herausfinden zu müssen, ob dieser Film, den sie gerade gesehen haben, nun wirklich feministisch ist oder nicht. Nun hat die Verweigerung eines feministischen Kategoriensystems immerhin das Gute, dass die Zuschauerinnen auf andere Weise aktiv in den Film mit einbezogen werden, als das bei anderen Filmen der Fall ist. Hier geht es nicht nur darum, dass der Film in allen Etagen der Zuschauerkörper (und nicht nur im Kopf) weiterarbeitet und sich so am Leben erhält, hier werden, wie immer auch rudimentär, die theoretischen Fähigkeiten mobilisiert. Noch ein Weiteres, Tröstliches, aber auch Gefährliches, wird unmöglich gemacht: Es gibt kein System der Ausschließung mehr. Wer mit heißem Herzen nach Identität sucht, meint damit gewöhnlich den Stillstand der quälerischen Suchbewegung auf die Frage: Wer bin ich? Gruppen leben ruhiger, wenn sie durch Grenzziehung Innen und Außen voneinander trennen. Aber da dieses „konfliktuöse“ (= konfliktreich-inzestuöse) Verhältnis von Innen und Außen gerade eines der zentralen Probleme von Frauen ist, wäre das ersehnte normative System der frühzeitige Verzicht auf Leben und Wahrheit gewesen. Nun wird sofort, mangels Kategoriensystem, das die Essenz des Feministischen in der Kunst präparieren würde, in diesem windigen Vakuum sichtbar, dass die Filmemacherinnen, gleichgültig, ob sie sich in der Tradition der Avantgarde der Freisetzung des Mediums verschrieben haben oder narrativ um Identifikation kreisen, keiner einzigen der Aporien entgehen, die mit ihren spezifischen Tätigkeitsfeldern verbunden sind und noch zusätzlich das Problem haben, dass sie sich ja dazu in Konfrontation befinden. Die Avantgardistinnen müssen sich dem Problem stellen, dass der freigesetzte Blick nur ein gereinigtes und deshalb falsches Substrat der psychosexuell geformten Wahrnehmung der Frauen sein kann, die prinzipiell „unrein“ ist, nämlich vermischt, oft ein Wahrnehmungsgefühl, in dem Blick eine ziemlich untergeordnete Rolle spielt. Die Narrativen dem Problem, dass die in Perfektion Identifikation herstellende Filmsprache, wie Hollywood sie herausgebildet hat, den Blick durchgängig über die männliche Wahrnehmung auf die Frau als Fetisch leitet. Die einfache Ersetzung des blickenden Mannes durch die blickende Frau aber ist keine Lösung, sondern ein Kurzschluss auf der thematischen Ebene. So stehen die Frauen, ausgelieferter als die Liberalen, zwischen allen Stühlen. Eingeklemmt von den Forderungen der Zuschauerinnen nach „ganz neuen Bildern“, in denen frau sich einerseits erkennt, in denen aber auch ein ästhetischer Schritt über das Bekannte hinaus gemacht wird, ist ihnen doch klar, dass weder das einfache Mitmarschieren im Glied der Avantgarde voranbringt, noch die ebenso bedenkenlose Übernahme der bekannten Erzählmechanismen, die die Gefühle aufrühren. Und da eine zeitlang jede Form von Realismus als bürgerlich-reaktionär angesehen wurde, der notwendig ein falsches Bild von Frauen hervorbringen müsste und Frauenfilm nur als Gegenfilm, als formale Verweigerung gängiger Erzählhaltungen denkbar war, hier noch eine Überlegung zur Avantgarde. Das avantgardistische Ziel der Entdeckung fremden Territoriums als Bereich neuer künstlerischer Verfahrensweisen geht davon aus, dass dieses N e u e geschaffen wird. Der grundlegende Gestus ist der künstlerische Vatermord. Bestehen die Suchbewegungen von Frauen aber nicht eher darin, etwas Vergessenes aufzuspüren? Wiederholen Frauen hier diese Bewegung der historischen Avantgarde als Muttermord, und in welchen Formen spielt sich das ab? Ist die Produktionsmetapher vielleicht nicht die des Architektonischen, sondern die der Grabplünderung? Darüber, dass in Filmen von Frauen „neue“, „ganz neue“ Bilder gezeigt werden sollen, ist ziemlich leicht Einigkeit zu erzielen. Aber was kann das heißen? Sollte der Bodensatz für diese Wünsche der Gedanke sein, dass „das neue, noch nicht existente weibliche Ich“ sich hier eine Gestalt gibt, wie ein so kenntnisreicher und mit feministischen Gedanken verbundener Mann wie Peter Gorsen es ausdrückt, dann sollten, meine ich, sofort unsere Alarmglocken schrillen. Denn hier zeigt sich in Verkleidung der Gedanke des „neuen Menschen“, der immer erst zu schaffen ist durch religiöse, soziale (sozialistische) oder, wie in diesem Falle, ästhetische Produktion. Der latente Vernichtungswunsch, die Reinheitsutopie, die in solchen Gedanken immer haust, übersieht auch die halsbrecherische Dialektik, dass ein Nicht-Ich das Ich schaffen muss. Eine wahrhaft göttliche Aufgabe. Das weibliche Ich besteht, gerade weil es sich ständig utopisch entwirft. Es lebt in der Spannung von judikatorischem Entzücken vor seinem eigenen utopischen Entwurf, der, sollte er je zum Spiegelbild werden, es wohl nur im Film werden könnte, und der alle narzisstischen Größenphantasien rüde abwürgenden Wirklichkeit, die aber immerhin den Vorteil hat, dass hier der Stoffwechsel zwischen den Frauen und der Natur wenigstens anfangen kann. In welch erstem Schritt dann auch klar wird, dass in diesen Fällen Natur nicht der Bereich von außen ist, den zu bearbeiten das Überleben garantiert, sondern auch das „Innen“, verbogen, bedrängt, entfremdet, vital, protestierend, unerschöpflich. Beides zusammen erst Basis für die Produktion von Leben. Diese Spannung aber ist, trotz aufregender Möglichkeiten, sie zu filmen, zu malen, zu beschreiben, nicht kommod zu leben. Sie kann mörderisch werden. Und trotzdem glaube ich, dass uns nichts davor rettet, den Satz von Julia Kristeva ernstzunehmend, dass eine unweigerlich männlich-väterliche Identifikation, weil Stütze des Symbols und der Zeit, notwendig ist, um in Politik und Geschichte eine Stimme zu erhalten. Dass im selben Atemzug aber alle narzisstische Befriedigung über die endlich erreichte Stellung der Partnerin, die in Komplexität münden könnte, von sich gewiesen werden muss und die „Rolle“ der Frau auf der sozial-politisch-historischen Szene immer nur ein Negativum sein kann. Und das nicht etwa im Sinne des klassischen Entwurfs der Revolutionärin. Das ist eine Zerreißprobe, die man manchen Filmen vielleicht ansieht, denn Filmemacherinnen ist diese Doppelidentifikation vertraut. Ästhetisch äußert sie sich in der Hartnäckigkeit, mit der „Unterdrücktes“ als „romantischer Vorschein eines noch zu Gewinnenden“ zusammengebracht wird mit dem Wunsch nach Vermittlung von Kunst und Leben und der an den realen Zuständen ansetzenden Kritik von Kunst und Gesellschaft, wie Gertrud Koch es ausdrückt. Aber ein Film ist nie reiner künstlerischer Selbstausdruck, sondern immer auch Kapitalbewegung, Umgang mit Institutionen, Banken, Fernseh-anstalten, Kopierfabriken. Die Freisetzung originärer kreativer Energie wird also nicht nur durch den Produktionsprozess selbst erschwert, sondern zusätzlich durch dessen gesellschaftlich organisierte Bedingungen. Manchmal wird man deshalb in Filmen von Frauen nichts anderes sehen als das Scheitern dieses Balanceaktes, ästhetisch sichtbar als Halbherzigkeit, Unentschlossenheit, Formlosigkeit. Nun will ich hier kein Plädoyer für eine alles verstehende, alles verzeihende Haltung führen. Aber wenn die Überlegungen nicht um feministische Ästhetik als System, sondern um feministische Produktion und Rezeption als Prozess kreisen, dann muss die gesellschaftliche Situation der Produzentinnen und Rezipientinnen mitbedacht werden. Der Widerstand, den eine immer noch nach anderen Kategorien funktionierende (geldgebende) Öffentlichkeit dem entgegenbringt, wird zu einem ästhetischen Faktor. Und gerade weil Film sich teuer und öffentlich abspielt, sind Verhinderungen hier so dramatisch, denn keine Filmemacherin kann heimlich für die Schublade produzieren in der Hoffnung, dass spätere, klügere Zeiten ihr Werk entdecken. Heute und auch in absehbarer Zukunft ist Heiterkeit auf allen Kanälen und in allen Kinos angesagt. Damit geht nicht nur die aktuelle Kritik verloren und damit die potentielle Kritikfähigkeit, sondern auch etwas, auf das Frauen nicht verzichten können, selbst wenn es kategorial unklar bleibt, nicht normativ zu verfestigen ist und hier nicht als Kern einer doch listigerweise wiederauftauchenden „feministischen Ästhetik“ beschrieben werden soll: der Schmerz. Eine Gesellschaft, die den Schmerz nicht mehr zulassen will, stellt sich taub. Wer sich davor schützt, dass etwas weh tun könnte, verscheucht in allen aktuellen Momenten von Verhinderungsstrategie auch immer die Erinnerung an die Kindheit und verdammt sich im gleichen Atemzug zur Infantilität. Noch einmal Julia Kristeva: Wenn die feministische Kunst als Teil der Kunst der Moderne einen, wenn auch fragmentarischen Zugang zur präödipalen Mutter-Kind-Situation hat, in der die männlich-phallozentristische Sprache und die Anerkennung des Vaters als einziger symbolischer Repräsentanz für Gesetz, Ordnung, Zensur unterlaufen wird, dann stehen natürlich die „wahren Menschenbilder“, die „durchgeformten Charaktere“, die „Glaubwürdigkeit der Dialoge“, diese Requisiten einer „Identität“, die Frauen als rein männliche definierte nicht annehmen können, zur Debatte. Es geht also immer wieder um Identität. Dass es sich hier um einen Verfallsprozess, um eine Krise, um Tendenzen einer Auflösung handeln, ist nicht zu bestreiten. Aber dies als Prozess zu zeigen und nicht als Ergebnis, halte ich für die künstlerische Aufgabe, es filmisch zu beschreiben, wie Identität sich aufbaut und verfällt, wie die Bilder das Wesen nicht fassen. Und das halte ich für wichtiger, als immer wieder sich auf den Blick zu konzentrieren. Zu beschreiben, wie Sprache sich durchsetzt mit den vorsymbolischen Momenten, Wahrnehmung und Grenzen schwankend werden. Künstlerische Möglichkeiten, dies zu zeigen, gibt es. Gesellschaftliche Möglichkeiten, dies zu finanzieren, heute nicht, denn es würde den „lebensechten Menschen“, nach dem heute wieder dramaturgisch auf allen Leinwänden gesucht wird, in Frage stellen. Dass Frauen zu diesem Bereich einen privilegierten Zugang haben, steht für mich nach den Filmen, die sie bisher schon gemacht haben, außer Zweifel. Dass sie hier zögern und sich im Gegensatz zu Männern, die ihre Phantasien über Auflösung von Körperlichkeit in Sciencefiction-Filmen umsetzen, verweigern, ist wiederum Ausdruck der gesellschaftlichen Situation, dass sie nicht einfach einen Panzer, eine Form sprengen, sondern sich in der Ambivalenz eine Form suchen. Der Film als industriellste und deshalb eigentlich modernste aller Künste hängt aber am Tropf der Ideen des 19. Jahrhunderts, „Identität“ ist ihm kein Begriff, an dem er zweifelt. Auf der aktuellen Ebene formuliert sich diese Frage dann so: Wie kann Kunst aussehen in einem Gemeinwesen, das die Heiterkeit von Idioten mit der Wohlgeordnetheit der Zustände verwechselt, was wiederum auch nur Ausdruck der Tatsache ist, dass man Gesellschaft für ein aufgeräumtes Wohnzimmer hält? Keine Antwort auf diese Frage, aber eine letzte Überlegung. So sicher es ist, dass es im Moment keine positive Bestimmung dessen gibt, was es denn sei, das Filme von Frauen zu „Filmen von Frauen“ macht, so sicher gibt es eine negative Scheidemünze: ganz sicher ist es nicht die Harmonieseligkeit.
Zuerst in: Debatte 2/86
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